Moira Gerlach ist Tierärztin und Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Ein Gespräch über falsch verstandene Tierliebe.
Frau Gerlach: Kann man sein Tier zu sehr lieben?
Es ist schön, wenn Menschen ihr Tier lieben. Problematisch wird es, wenn das Tier nicht mehr wie ein Tier behandelt wird. Zum Beispiel, wenn man Tiere in Kostüme steckt zum Karneval. In den USA gibt es den Trend, Tiere tätowieren zu lassen. Das ist sehr kritisch zu sehen.
Was machen Tierhalter im guten Willen falsch?
Adipositas ist im Vormarsch. Manche Tiere werden viel zu viel gefüttert. Da heißt es: Der guckt mich so lieb an und ich kann nicht widerstehen. Übergewicht hat Auswirkungen auf die Gelenke, auf das Herz-Kreislauf-System. Es ist wie beim Menschen: Tiere mit Übergewicht haben eine geringere Lebenserwartung. Die unüberlegte Anschaffung, manchmal aus Mitleid, ist auch ein Problem. Man hat dann nicht genug Zeit, kann die Kosten nicht tragen. Dann landet das Tier am Ende im Tierheim.
Mitunter bekommen Tiere ähnliches aufgetischt wie der Mensch …
Wenn mal eine Nudel im Napf landet. Na gut. Aber Menschenessen ist nichts für Tiere. Es ist zu stark gewürzt. Manche Lebensmittel sind giftig, zum Beispiel Trauben, Rosinen, Macadamia, Kaffee und Schokolade. Wenn man für sein Tier kochen will, sollte man das nur nach ausgiebiger Beratung von Tierärzten tun, die auf Ernährungsberatung spezialisiert sind. Sonst bekommen die Tiere schnell Mangelerscheinungen.
Schokolade ist giftig?
Das vor allem in dunkler Schokolade enthaltene Theobromin ist für Hund und Katze giftig. Es ist ein für den Menschen harmloser Wirkstoff aus der Kakaobohne. Theobromin überstimuliert beim Tier das Nervensystem. Das führt zu Magen-Darm-Beschwerden, Krämpfen, im Extremfall sogar zum Tod.
Ernährung als Qual …
Manche Halter übertragen sogar Ernährungstrends auf ihr Tier – zum Beispiel vegane Ernährung. Katzen sind reine Fleischfresser. Eine bedarfsgerechte vegane Ernährung ist eigentlich nicht möglich. Es gibt veganes Katzenfutter im Handel. Wir raten davon ab. Eine Katze ist auf tierische Eiweiße angewiesen.
Und ein veganer Hund?
Hunde sind eher Allesfresser. Da ist es unter strengen Bedingungen eventuell möglich. Aber auch davon raten wir ab. Die Frage ist doch: Was ist artgerecht? Hunde und Katzen sind von ihrer Physiologie und ihrem Verdauungsapparat her nicht für rein pflanzliche Ernährung gemacht.
Fehlt Tierhaltern Wissen?
Eine verpflichtende Sachkunde vor der Anschaffung wäre sinnvoll. Wir fordern das auch. Es gibt Literatur, den Fachhandel. Auch Tierheime geben eine gute Einführung.
Auf der Straße sieht man mitunter recht schick gedresste Hunde …
Es gibt Rassen, die frieren leicht. Wenn die mal ein Mäntelchen tragen, ist das okay. Zum Problem wird es, wenn man das aus rein modischen Gründen macht. Kleidung schränkt die Tiere ein, in ihrer Bewegung und in ihrer Körpersprache gegenüber anderen Hunden.
Manche Rassen sind hingezüchtet auf die Halter, etwa der Mops. Die Folge: gesundheitliche Defekte.
Wir nennen das Qualzucht. Die Hunde leiden oft Schmerzen, gerade die kurzköpfigen Rassen wie Mops oder Bulldogge. Die Atmungsorgane sind so verengt, dass sie unter Atemnot leiden, oft operiert werden müssen. Da sind die Grenzen überschritten. Oder Nacktkatzen. Viele haben keine Tasthaare mehr und damit schlechte Orientierung. Es gibt im Tierschutzgesetz einen Paragrafen, der Qualzuchten grundsätzlich verbietet. Aber er ist wenig konkret. Es kommt bisher kaum zu Verboten und Strafen.
Manche Tiere werden zu kleinen Stars aufgebaut.
Für das einzelne Tier mag das in Ordnung sein. Aber es ist ein Vorbild. Die Medienpräsenz wirkt sich auf die Nachfrage aus. Das ist bei Qualzuchten wie dem Mops ein Problem. Die Katze von Herrn Lagerfeld ist mit dem Flugzeug geflogen. Katzen sind sehr territoriale Tiere – Transport ist für sie großer Stress. Oder Tiere als vermenschlichte Stars bei Youtube und Instagram. Halter sollten diese Konsequenzen bedenken.
Hat sich die Rolle von Haustieren geändert?
Ja. Früher hatten Tiere eine Funktion. Der Hofhund oder die Katze als Mäusefänger. Heute sind sie oft nur noch Familienmitglied. Das ist in Ordnung, solange man den Bedürfnissen der Tiere gerecht wird. Die Anwesenheit von Tieren kann sehr positiv sein, zum Beispiel bei älteren Menschen. Das Problem ist die Vermenschlichung.
Kann man Katzen in der Wohnung halten?
Man kann Wohnungen durchaus katzengerecht machen. Die Wohnung sollte mindestens zwei Zimmer haben, idealerweise einen katzengesicherten Balkon. Optimal ist, Katzen zu zweit zu halten.
Welche Tipps haben Sie für Tierhalter?
Am wichtigsten sind Zeit und Beschäftigung. Trainings, die das Tier geistig fordern, etwa Leckerli-Versteckspiele. Den Hund den ganzen Tag allein zu lassen, ist nicht tiergerecht. Ein Tier muss nicht verwöhnt werden. Es ist glücklich, wenn es zu fressen hat – und Aufmerksamkeit.
Und bei Kaninchen, Mäusen, Meerschweinchen?
Das sind keine Streicheltiere, sondern Fluchttiere, die sehr stressanfällig sind. Viele Arten sind sozial lebende Tiere, die man auf keinen Fall alleine halten sollte. Meerschweinchen und Kaninchen, das bringt nichts. Die können nicht miteinander kommunizieren. Andere wie der Goldhamster sind Einzelgänger. All diese Tiere brauchen viel Auslauf und Rückzugsorte. Der Kontakt zum Menschen ist nicht so wichtig. Die wollen buddeln und hoppeln.
Interview: Wolfgang Hauskrecht