München – Es geht auch ohne „Sugar Sugar Baby“: In dem Schwabinger Café, in dem Peter Kraus wartet, läuft keine Musik. „Kann ich eh nicht leiden, dieses Hintergrundgedudel“, sagt er. Ob er seinen legendären Hüftschwung trotzdem zeigt? „Ja, gern doch.“. Kraus stellt sich in Positur, strafft die Schultern, schiebt die Hüfte nach vorne, nach links, nach rechts. Die Arme dazu, ein wenig die Fersen anheben. Peter Kraus hat den Schwung noch immer voll drauf. Warum auch nicht? Mit seiner Frau tanze er schließlich immer noch, sagt er. Bestimmt auch heute Abend, wenn er seinen 80. Geburtstag mit Familie und Freunden in Schuhbecks „Südtiroler Stubn“ feiert.
Peter Kraus ist kein gewöhnlicher 80-Jähriger. Das Alter scheint eine Begleiterscheinung, die er einfach ignoriert. Er ist schlank, schlagfertig, spontan. „Wir machen nach meinem Geburtstag eine Fahrt ins Blaue, durch Italien, so weit wir kommen“, erzählt er. Wie lange? „So lange wir Lust haben. Meine Tournee geht ja erst im Herbst los.“ Ja, die Tournee – jetzt soll es endgültig die Letzte sein. Schon 2014 tourte er im Abschiedsmodus. 2018 saß er wieder im Tourbus. Und jetzt der neuerliche Rückfall.
Eine „musikalische Geburtstagsparty“ verspricht Peter Kraus seinen Fans. Im Herbst tourt er durch 29 Städte, in München tritt er am 16. November in der Philharmonie im Gasteig auf. „Es wird eine Hommage an eine aufregende Zeit und ihre unvergesslichen Helden“, sagt er. Helden wie Vico Torriani („Sieben Mal in der Woche“), Bill Ramsey („Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“), Rocco Granata („Marina, Marina“) und Marlene Dietrich („Sag mir wo die Blumen sind“). Aber auch Lieder von ihm, die er lange nicht mehr live gesungen hat, wie „Blue Melodie“ und „Havanna Love“ bringt Kraus auf die Bühne. Sein Wunsch: ein Programm im Stil der 60er-Jahre – keine laute Technik, sondern leise gefühlvolle Töne. „Ich möchte, dass mein Publikum die Größe des Saales vergisst und glaubt, bei mir im Wohnzimmer zu sein. Ich werde erzählen, mit einem Augenzwinkern, wie ich zum Rock ’n’ Roll kam und wie sehr ihm die Eltern ein rasches Ende wünschten.“
Danach soll wirklich Schluss sein – mit dem Tourneeleben. „Konzerte gebe ich auch weiterhin. Doch auf Tour gehen ist etwas anderes, viel anstrengender.“ Auch wenn seine Frau Ingrid immer dabei war. „Sie ist immer im Zuschauerraum, steht meist am Mischpult. Da ist es oft viel lustiger als ganz vorne in den ersten Reihen, wo die Fans andächtiger sind. Nach dem Konzert trinken wir noch ein Glaserl Rotwein und gehen ins Bett.“ Ein bisschen ruhiger ist er also schon geworden, der Peter, der einst als „deutscher Elvis“ galt.
Kraus hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Sein Vater war Regisseur und Kabarettist. So kam er schon früh mit der Kunst in Berührung. Er nahm Gesangs- und Schauspielunterricht, lernte steppen. Seine Karriere begann 1954, als er in Erich Kästners „Das fliegende Klassenzimmer“ den Johnny spielen durfte. Wenige Jahre später entdeckte Produzent Gerhard Mendelson den smarten jungen Mann für die Musik.
Peter Kraus hat Millionen Schallplatten verkauft, in knapp drei Dutzend Filmen mitgespielt. Er war ein Teenageridol. Das weibliche Pendant zu ihm war Conny Froboess. Mit ihr drehte er zwei überaus erfolgreiche Filme. Zeit seines Lebens schwebte er zwischen Rock ‘n‘ Roll und Schlager, charmantem Rebell und Schmusesänger. Kraus ritt auf der Welle des Populären – und blieb dabei skandalfrei auf der Überholspur. Im Hotelzimmer Gitarren zu zertrümmern, wie es das Klischee vom Rock-’n’-Roller verlangt, musste Kraus nie. Klar, früher sei er noch um die Häuser gezogen. „Da hab ich meinen Erfolg, sagen wir mal, schön ausgenutzt“, sagt er. Doch seit er 1969 seine Ingrid heiratete, bekommen die weiblichen Fans nur noch Autogrammkarten. „Die Jungen wollen aber nur Selfies.“
Ingrid ist für Peter Kraus nicht nur Ehefrau, sondern Kraftquelle. „Männercliquen, Stammtische – das hab’ ich mein ganzes Leben lang nicht gehabt. Meine Frau und ich, wir machen alles zusammen.“ Das beginnt schon frühmorgens, wenn Kraus aus dem Bett Richtung Küche schleicht. Zurück kommt er mit einem Espresso für sich und einer Tasse Kaffee für seine Ingrid. „Dann fummelt sie an ihrem iPad rum und liest mir vor, was in der Welt alles passiert. Ich lese ja nicht gerne. Und der ganze Mord und Totschlag, das will ich eigentlich gar nicht wissen.“ 50 Jahre geht das schon so, am 1. Oktober ist Goldene Hochzeit. „Das musst du erst mal schaffen!“ Ingrid, sagt Peter, sei die Tüchtigere. „Ich meine damit: Sie hat mein Leben gestaltet, ich bin ihr dankbar. Was nützt denn das schönste Zuhause, wenn nicht die richtige Frau dort sitzt?“
Zuhause ist für Peter Krausenecker, wie der gebürtige Münchner mit österreichischen Wurzeln eigentlich heißt, seit über 30 Jahren Lugano. Es ist seine Insel, wie er sagt, die er sich, als der Trubel um seine Person immer mehr wurde, ausgesucht hat. Dort, am See, liegt sein Boot, täglich paddelt er raus. „Das ist vor allem gut für den Rücken. Und damit auch für meinen Hüftschwung.“
Allein das Paddeln hält ihn nicht so schlank. Kraus fährt Ski, spielt Golf, isst gesund und bewusst. „Sind es mal ein, zwei Kilo mehr, passen meine Frau und ich sofort auf, schauen, dass wir es wieder wegbekommen. Eine Diät oder eine Therapie hab ich aber noch nie gemacht und mach ich auch nicht mehr.“
Was er unbedingt noch machen will, ist Malen. Seit zehn Jahren hat er keinen Pinsel mehr in der Hand gehabt. „An Weihnachten habe ich wieder damit angefangen. Mein Galerist drängt mich schon.“ Was ein echter Kraus kostet? „Das kann ich nicht sagen, erst wenn einige Bilder fertig sind und ausgestellt werden.“ Ums Geld gehe es nicht. „Ich hab’ so viele Hobbys, ich muss jetzt aufhören mit den Tourneen. Ich hab ja auch noch meine Oldtimer, und vor vier Jahren hab’ ich einen Weinberg gekauft.“
Zeit ist das, was Peter Kraus noch braucht. Auch für seine Familie: „Meine Enkelin, sie ist jetzt drei und sie singt so gern Sugar Sugar Baby. Sie versucht’s zumindest.“ Seine Augen funkeln. „Ich bin der Sugar-Baby-Opa.“