Berlin – Ein einfacher Bluttest zur Bestimmung einer Trisomie 21 („Down-Syndrom“) in der frühen Schwangerschaft hat die Pränataldiagnostik verändert. Kritiker befürchten häufigere Entscheidungen gegen das Kind. Eine Zulassung des Tests als Kassenleistung rückt näher. Heute wird der Gemeinsame Bundesausschuss, der für eine Einstufung als Regelleistung der Kassen zuständig ist, eine Beschlussvorlage veröffentlichen. Der Bundestag wird im April über die Bluttests debattieren. Hier lesen Sie die wichtigsten Fragen zum Thema.
Wie funktioniert der Pränataltest?
Der seit 2012 angebotene vorgeburtliche Test ermöglicht es Ärzten, einer Schwangeren anhand von wenigen Tropfen ihres Bluts mit hoher Treffsicherheit zu sagen, ob ihr Kind eine Trisomie 21 haben wird. Dabei werden Erbgut-Fragmente des Kindes aus dem mütterlichen Blut isoliert und untersucht.
Wie hoch ist das Risiko einer Trisomie 21?
Das Risiko für Trisomien steigt mit dem Alter der Schwangeren. Trisomie 21 tritt bei ungefähr 24 von 10 000 Schwangerschaften auf. In Deutschland leben etwa 30 000 bis 50 000 Menschen mit Down-Syndrom.
Wo wird der Test angeboten?
Bislang müssen Eltern, die den Bluttest durchführen lassen, die Behandlung selbst bezahlen. Er wurde anfangs nur an wenigen Pränatalzentren für 1200 Euro angeboten; inzwischen kostet er in der günstigsten Variante noch rund 200 Euro. Einige private Kassen finanzieren den Test. Derzeit geht es darum, ob der Test in Deutschland auch als Kassenleistung angeboten wird. Entscheiden muss das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen.
Steht fest, wie das Gremium entscheiden wird?
Der „Spiegel“ berichtet, dass das Gremium vorschlagen wird, dass Barmer, AOK und Co. den Test bezahlen – allerdings nur dann, wenn es besondere Risiken oder Auffälligkeiten in der Schwangerschaft gebe. Der Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, hatte sich bereits mehrfach für eine Zulassung ausgesprochen.
Warum wollen Bundestagsabgeordnete, aber auch Behindertenorganisationen eine ethische Debatte über den Test?
Hecken und mehrere Ethikexperten und Politiker haben eindringlich darauf hingewiesen, dass mit den vorgeburtlichen Bluttests fundamentale ethische Grundfragen der Werteordnung berührt seien. Deshalb sei die Politik dringend gefordert, eine ethische Debatte zu führen und darüber zu entscheiden, wie weit molekulargenetische Testverfahren in der Schwangerschaft zur Anwendung gelangen können.
Wie argumentieren die Befürworter der Bluttests?
Sie verweisen darauf, dass die Bluttests eine risikoarme Alternative zu bestehenden Verfahren wie der Fruchtwasseruntersuchung seien, die immer mit einem Fehlgeburtsrisiko behaftet sind. Bis vor wenigen Jahren war eine verlässliche Bestimmung einer Trisomie nur mithilfe einer Entnahme von Mutterkuchengewebe ab der zwölften Schwangerschaftswoche oder einer Fruchtwasseruntersuchung ab der 16. Schwangerschaftswoche möglich. Diese Eingriffe lösen bei zwei bis zehn von 1000 Schwangerschaften Fehlgeburten aus. Befürworter der Bluttests erklären, es wäre Doppelmoral, die riskantere Fruchtwasseruntersuchung zu akzeptieren, aber auf ein weniger riskantes und weniger belastendes Verfahren zu verzichten.
Was sagen die Gegner?
Sie befürchten, dass die einfach zu handhabenden Bluttests zu einer Art Automatismus bei vorgeburtlichen Tests führen werden. Schwangerschaft werde immer stärker zu einer Schwangerschaft auf Probe; werdende Mütter könnten durch die Tests verunsichert werden. Der gesellschaftliche Druck, ein gesundes Kind zur Welt bringen zu müssen, steige.
Wie verhalten sich die Kirchen zu dem Thema?
Die Evangelische Kirche in Deutschland hat sich für eine Kassenzulassung ausgesprochen, fordert allerdings das Angebot einer ethischen Beratung. Die katholische Kirche lehnt eine Kassenzulassung der Tests entschieden ab. CHRISTOPH ARENS