München – Man fährt zum Supermarkt, sucht einen Parkplatz – und findet keinen. Alle Plätze belegt. Keineswegs nur von Kunden, sondern auch von Fremdparkern. Die Zweckentfremdung von Kundenparkplätzen haben Firmen wie „Park & Control“ zum Geschäft gemacht. Sie bieten Einzelhandelsketten wie Aldi, Lidl oder Rewe ein „Rundum-sorglos-Paket“ an. Motto: Wir vertreiben die Falschparker – und erledigen diesen Job für die Auftraggeber sogar zum Nulltarif.
Auf den ersten Blick eine Win-win-Situation. Die Geschäfte sind die Fremdparker los, Kunden können parken, und Firmen wie „Park & Control“ dürfen Falschparker abkassieren – für den Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die sind auf großen Schildern auf den Parkplätzen nachlesbar. Meist fordert „Park & Control“ 30 Euro. Ein gutes Geschäft, mit dem der Marktführer bundesweit jährlich 15 Millionen Euro Umsatz macht.
Offenbar läuft das Geschäft aber nicht ganz koscher ab. Das sagt Mario Teske (Name geändert), der im mittleren Management von „Park & Control“ arbeitet. „Eigentlich schäme ich mich für meine Arbeit und würde lieber etwas Anständiges machen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Mit Anstand hätten die Praktiken bisweilen wenig zu tun. Teske sagt: „Letztlich sind wir Wegelagerer und Banditen. Wir lauern den Leuten auf, saugen sie aus wie Zecken.“
Die Methodik funktioniert laut Teske so: „Ein Sales Manager fährt übers Land und entdeckt einen noch nicht professionell bewirtschafteten Parkplatz. Er geht in den Laden und fragt: ,Habt ihr ein Problem mit Fremdparkern?‘ – ,Ja, da hinten ist eine Firma, deren Mitarbeiter parken immer hier.‘ Prima, sagt der Sales Manager: ,Das ist genau unser Job, das kostet Sie gar nichts, wir vertreiben Ihnen die Fremdparker.‘ Dann wird ein Vertrag gemacht, und wir übernehmen das Parkmanagement.“ Zunächst montiere „Park & Control“ Schilder, auf denen erläutert wird: Parken nur für Kunden und nur mit Parkscheibe und nur für eine bestimmte Maximaldauer. Anfangs gebe es eine Vorwarnphase: Fremdparker bekommen einen grünen Zettel mit einem kostenlosen Hinweis. „Irgendwann kommt aber der Tag, ab dem scharf geschossen wird“, sagt Teske. „Jeder, der keine Parkscheibe eingelegt hat, muss zahlen.“ Das Problem mit den Fremdparkern werde meist zügig gelöst. Damit sinkt für „Park & Control“ aber der Umsatz. „Also“, sagt Teske, „machen wir Jagd auf reguläre Kunden“. Laut Teske werden den Kontrolleuren unrealistische Umsatzerwartungen aufgelastet, die Knöllchen-Quote werde per Live-Tracking von der Zentrale aus überwacht.
Weil auch reguläre Kunden fortan brav ihre Parkscheibe einlegen, stoßen die Kontrolleure bald wieder an Grenzen. Um Erfolge vorzuweisen, würden alle Register gezogen, sagt Teske. Die Kontrolleure lägen regelrecht auf der Lauer. Aus Ebersberg ist der Fall einer Mutter bekannt, die bei geöffneter Autotür ein Knöllchen bekam, während sie ihr Baby aus dem Kindersitz in den Einkaufswagen verfrachtete. Regelmäßig komme es zu Eskalationen“, sagt Teske. „Wir erzeugen Stress, die Verwarnten hyperventilieren. Manchmal fliegen uns Joghurtbecher an den Kopf, ein Kollege war 25 Tage lang krankgeschrieben, weil ein Parksünder ihn niedergeschlagen hat.“
Detlef Wilmer, Geschäftsführer von „Park & Control“, bestätigt: „Bis auf Totschlag haben wir schon alles erlebt.“ Tätliche oder verbale Angriffe auf Mitarbeiter kämen fast jede Woche vor. Das Geschäftsmodell verteidigt er: Fremdparker würden „diszipliniert“. Gleichwohl sei es überfällig, die recht rigide Kontrollpraxis zu ändern, auch wegen der negativen Medienresonanz. „Uns ist klar geworden, dass es zu einem Strategiewechsel kommen musste.“ Den habe man bereits eingeleitet. Bis Ende 2019 wolle man die Parkraumüberwachung „objektivierbar machen“. Der technische Gag: Bodensensoren auf den Parkplätzen übermitteln den Kontrolleuren über eine magnetische Induktionsfeldmessung minutengenau aufs Display, wann und wo ein Auto zu lange steht. 3000 solcher Sensoren hat „Park & Control“ schon erprobt, 50 000 sollen heuer bundesweit neu montiert werden.
Wilmer hofft, die Situation so zu „deeskalieren“. Die Pilotphase habe gezeigt, „dass die Betroffenen einsichtiger sind, wenn ihnen der Parkverstoß technisch nachgewiesen wird. Das spart kritische Diskussionen, ob ein Kontrolleur etwas angedichtet hat: Zeit wird gemessen, Zeit ist überschritten – und gut ist es.“ Die Beschwerden seien auf den Testparkplätzen „drastisch zurückgegangen“.
Empörte Kunden bleiben dennoch. Viele marschieren wütend zurück ins Geschäft und fragen nach dem Chef – obwohl der gar nicht zuständig ist. Wilmer sagt, das sei alles halb so wild: „Rund 25 Prozent der Tickets werden von uns anstandslos storniert.“ Manche Auftraggeber haben wegen des Imageschadens trotzdem den Vertrag mit „Park & Control“ gekündigt. „Ja klar, das ist passiert“, räumt Wilmer ein. Ein aktuelles Beispiel ist das Möbelhaus XXXLutz in Kempten. Aber: Mit der neuen Sensor-Technologie habe man „70 Prozent der Kündigungsfälle zurückgewonnen“.
Mario Teske bleibt dabei: „Wir treten zu brutal auf, erscheinen fünf bis sechs Mal am Tag an einem Parkplatz. Wären wir behutsamer, gäbe es die Scherereien nicht.“ Konkurrenzfirmen würden nur zweimal pro Woche einen Parkplatz kontrollieren. „Letztlich ist es ein ungesundes Geschäftsmodell. So viele Fremdparker gibt es in ganz Europa nicht, dass die Umsatzprognosen erfüllt werden könnten. Zu 95 Prozent leben wir von Kundenabzocke.“
Detlef Wilmer sagt: Rund 60 000 der 30-Euro-Knöllchen verteile „Park & Control“ pro Monat. „Wir könnten den Umsatz locker verdoppeln, haben das auch als Ziel. Trotzdem wäre nur ein Bruchteil des Markts ausgeschöpft.“
Fremdparker als Ärgernis
Mit Bodensensoren gegen Parksünder