München – Die Baugenossenschaft des Post- und Telegrafenpersonals in München und Oberbayern wurde im Jahre 1908 gegründet, um die schlechte Wohnsituation der einfachen Postbeamten in München zu verbessern. Sie hat heute noch 2000 Wohnungen. Ulrich Brüggerhoff ist Verwaltungs-Vorstand der Baugenossenschaft des Post- und Telegrafenpersonals in München und Oberbayern.
Warum gibt es so etwas heute kaum noch?
Die Genossenschaft wurde von Postmitarbeitern ohne Förderung der Post gegründet – das kam erst später dazu. Aber die Förderung der Post dauert teilweise bis heute an. Wir haben bis heute Wohnungen in Neuhausen, Schwabing, am Harras oder in Giesing.
Früher stellten nicht nur staatliche Arbeitgeber wie die Post oder die Bahn ihren Mitarbeitern Wohnraum zur Verfügung, sondern auch große Firmen wie Siemens oder BMW. Müssen Arbeitgeber hier wieder mehr Verantwortung übernehmen?
Das wäre sicher einer von mehreren Lösungswegen, um die Spannung vom Wohnungsmarkt zu nehmen. Einige größere Unternehmen sind hier schon in den Startlöchern, sich hier wieder mehr zu engagieren. Aber der Immobilienmarkt ist sehr langfristig angelegt. Bis das bemerkbare Auswirkungen hat, wird es dauern.
Waren die Arbeitgeber vor 100 Jahren sozialer eingestellt als heute?
Das war damals sicher eine ganz andere Situation. Aber es gibt Parallelen zu heute: Die Suche nach Arbeitskräften war schwierig, der Wohnungsmarkt sehr angespannt. Deswegen würde ich mir schon wünschen, dass große Unternehmen wieder verstärkt in das Wohnungsgeschäft einsteigen und als Kooperationspartner von Genossenschaften zur Verfügung stehen.
Wäre es ein Rezept gegen die steigenden Mieten, wenn der Staat solche Post- oder Eisenbahner-Wohnungen nicht verkaufen würde?
Im Falle unserer Genossenschaft hat die Post die Grundstücke, die nach Ablauf der Erbpacht für den Verkauf frei wurden, an uns verkauft. Es ist sicher ein guter Weg, dass hier die Wohnungen im Sinne der Mieter weiter von der Genossenschaft instand gehalten und gepflegt werden.
Wie groß ist die Verlockung, angesichts der hohen Grundstückspreise, solche frei werdenden Flächen zu versilbern?
Bei uns als Genossenschaft verbietet das die Satzung – für den Staat als Grundstückseigner kann ich nicht sprechen. Eine Erbpacht läuft zwischen 60 und 100 Jahren. Wir haben es bisher immer geschafft, rechtzeitig vor Ablauf des Erbbaurechts eine Lösung im Sinne der Mieter zu finden – entweder über eine Verlängerung der Erbpacht oder indem wir den Grund von der Post erwerben konnten.
Was halten Sie von der derzeitigen Enteignungsdebatte?
Wichtig ist, dass dadurch die Brisanz der Lage am Wohnungsmarkt im Fokus bleibt. Aber durch Enteignungen werden keine neuen Wohnungen gebaut – und ohne Bauen wird es keine Entspannung am Markt geben.
Was wären die Rezepte, damit mehr gebaut wird?
Bauland den Genossenschaften zur Verfügung stellen! Das ist das, was die Stadt München seit Jahren macht. Und dann bräuchten wir eine große Initiative aller Beteiligten, also der Investoren und des Immobilienmarktes, um so große Stückzahlen an Wohnungen herzubekommen, dass es eine Preis-Entspannung gibt.
Kann man bei Ihnen in der Genossenschaft noch Mitglied werden?
Für Postangestellte laufen Anträge über die Vergabestelle, das wird vom Betriebsrat ausgehängt. Für Münchner, die nicht bei der Post angestellt sind, wurden die Wartelisten wegen des riesigen Andrangs geschlossen.
Interview: Klaus Rimpel