Ein Selbstversuch

von Redaktion

Vor der Erstkommunion musste ich zum Dorfpfarrer zum Beichten. Das war ein Kinderspiel gegen das, was ich gestern gemacht habe: Ich habe auf der Internetseite des Umweltbundesamts meine CO2-Bilanz berechnet. CO2 ist die neue Währung des guten Lebens. Alten Menschen über die Straße zu helfen und Müll zu trennen, reicht nicht mehr – Kohlenstoffdioxid-Sparern gehört die Zukunft.

Also machen wir den Test. Stellen wir uns der Realität. Der CO2-Rechner will eine Frage nach der anderen von mir wissen. Raumtemperatur? Wir haben es gerne warm daheim, ich tippe 22 Grad Celsius ein. Der Rechner will wissen, welches Auto ich fahre? Skoda Fabia Kombi. Wie viele Kilometer ich mit dem Auto im Jahr fahre? Bestimmt 7000. Wie viele Personen im Haushalt wohnen? Drei. Wie viele Fernseher ich habe? Einen. Wie viele Stunden ich im Jahr im Flugzeug sitze? 24. Wir waren zuletzt in Japan und Südkorea, wahrscheinlich ist 24 Stunden noch untertrieben. Ich lasse es trotzdem stehen, weil wir gerade gar nicht fliegen. Aber nicht wegen des CO2, sondern weil wir ein Baby haben.

Der CO2-Rechner ist ein Quälgeist, ich türme Tonne auf Tonne CO2 auf. Nächste Frage: „Ernährungsform: vegan, vegetarisch, fleischreduzierte Kost, Mischkost oder fleischbetonte Kost?“ Ich klicke auf Mischkost.

Außerdem gebe ich an, dass ich vorwiegend saisonale Produkte kaufe, täglich dusche, gelegentlich Tiefkühlprodukte verwende, einen bewegungsarmen Beruf habe, zwei bis vier Wochen im Jahr im Hotel übernachte und eine Waschmaschine mit der besten Energieeffizienzklasse habe. Spätestens jetzt weiß das Umweltbundesamt mehr über mich als meine besten Freunde. Kurz darauf ploppt das Ergebnis auf. Wir können es kurz machen: Das Leben von mir und meiner Familie ist eine kleine Katastrophe. Zumindest CO2-mäßig. Ich stoße pro Jahr 13,13 Tonnen CO2 aus. Das liegt 1530 Kilo über dem deutschen Schnitt.

Dabei benutzen wir Energiesparlampen, ich fahre mit der U-Bahn zu Arbeit – aber es nutzt nichts. Mein CO2-Balken ist dick und rot. Am Ende bekomme ich noch eine Detail-Auswertung – alleine der Punkt Mobilität (Auto, U-Bahn, Flüge) sorgt für fast die Hälfte meines CO2-Verbrauchs, fast sechs Tonnen. Und hier sind es vor allem die Flüge, die mich zum CO2-Verschwender machen. Zum Vergleich: Meine Ernährung verursacht pro Jahr 1,79 Tonnen CO2, die Heizung 1,5 Tonnen, der Strom 400 Kilo.

Der CO2-Rechner fragt auch, wie viel ich in klimafreundliche Geldanlagen investiert habe. Ich gebe zum Spaß eine Million Euro ein. Das entspricht einer CO2-Vermeidung von 210 Tonnen, heißt es auf der Internetseite. Auch von Klimasünden kann man sich offenbar ganz leicht freikaufen. STEFAN SESSLER

Der Rechner im Internet

Auf dieser Seite kann jeder seine CO2-Bilanz berechnen: www.uba.co2-rechner.de

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