4 FRAGEN AN
Der Politikwissenschaftler und frühere bayerische Bildungsminister Hans Maier war oft in Paris, als er an seiner Promotion zum Thema „Revolution und Kirche“ arbeitete. Für den frankophilen Gelehrten ist die Feuersbrunst, die Notre-Dame in Schutt und Asche gelegt hat, eine Tragödie.
Wie haben Sie die Nachricht von dem folgenschweren Brand erlebt?
Das hat mich tief erschüttert. Wir saßen alle vor dem Fernseher und hofften nur, dass die Gewölbe nicht einstürzen. Offenbar hatte auch die Feuerwehr Angst, dass die Türme in Gefahr geraten. Man überlege sich nur, wenn die tonnenschweren Glocken heruntergestürzt wären! Das hätte zu einer Verwerfung geführt, das hätte man kaum wieder in Ordnung bringen können. Zum Glück ist das vermieden worden.
Menschen standen weinend und betend auf der Straße. Aus der ganzen Welt gibt es Reaktionen. Warum ein solches Ausmaß der Erschütterung?
Die französischen Kathedralen sind wirklich der Ursprung der Gotik und von dort aus in der ganzen Welt weiterverbreitet worden bis zur Neugotik des 19. Jahrhunderts. Wenn man die stolze Reihe von Rouen über Paris und Reims bis nach Straßburg nachvollzieht, versteht man gut, dass die Franzosen in diesen Kathedralen ein Stück ihrer eigenen Geschichte, ihrer Identität sehen. Es ist ja schizophren: Frankreich hat bei den Beratungen über die europäischen Grundrechte sein Veto eingelegt gegen die Erwähnung Gottes. Auf der anderen Seite hat es ganz früh bei der Uno die Anerkennung der Kathedralen als Weltkulturerbe beantragt.
Wie kann man sich das erklären?
Ja, das ist eben nicht zu erklären. Frankreich ist seit der Französischen Revolution tief gespalten. Auf der einen Seite betont man die Laizität, die Unabhängigkeit von Christentum und christlicher Geschichte. Auf der anderen Seite ist Frankreich doch die „älteste Tochter der Kirche“, so hat es sich früher rühmend genannt. Das kommt bei solchen Gelegenheiten zum Vorschein.
Die Tragödie zu Beginn der Karwoche bewegt nicht nur die Christen…
EU-Ratspräsident Donald Tusk hat recht: Das ist nicht nur eine französische Tragödie, sondern betrifft alle in Europa. Es wird sich eine große Gruppe von Menschen zusammentun, Christen und Nichtchristen, die helfen. Das wird zu einer großen Anteilnahme führen an diesem Bauwerk, seiner Geschichte und seiner Tradition.
Interview: Claudia Möllers