Colombo – Geduldig wartete der Attentäter mit seinem Teller am Frühstücksbuffet, bis er an der Reihe war. Dann zündete er den Sprengstoff auf seinem Rücken. Binnen Sekunden schlug der fröhliche Ostersonntag im Restaurant des Luxushotels Cinnamon Grand in Sri Lankas Hauptstadt Colombo in ein Inferno um. „Es war 8.30 Uhr“, berichtet ein Mitarbeiter des Hotels. „Es gab viel zu tun, wir hatten viele Familien da.“ Plötzlich eine Explosion, dann „völliges Chaos“.
Nur wenig später traf es das Shangri-La und das Kingsbury, zwei weitere beliebte Fünf-Sterne-Hotels in Colombo. Zeitgleich erschütterten Explosionen Colombos historische Kirche St. Antonius, die St.-Sebastians-Kirche im Badeort Negombo und die Zionskirche von Batticaloa an der Ostküste des Inselstaats. Alle drei Gotteshäuser waren voll mit Gläubigen, die gerade die Ostermesse feierten.
Dass so viele an der Messe teilnahmen, hat Dilp Fernando das Leben gerettet. Weil er in St. Sebastian keinen Platz mehr fand, ging er in eine andere Kirche. Auch seine Verwandten kamen nicht mehr rein, verfolgten den Gottesdienst aber von draußen. Dort begegneten sie dem mutmaßlichen Attentäter. „Gegen Ende der Messe sahen sie einen jungen Mann mit einem schweren Sack in die Kirche gehen“, erzählt der 66-jährige Rentner. „Im Vorbeigehen strich er meiner Enkelin noch über den Kopf.“ Kurz darauf die Explosion.
Weniger Glück hatte Janaka Shaktivel. Der 28-Jährige zündete in St. Antonius mit seiner Frau Kerzen an, als das Baby zu weinen anfing. Er habe gerade mit seinem Sohn die Kirche verlassen, da hörte er die Detonation: „Ich rannte wieder rein und suchte nach meiner Frau, konnte sie aber nicht finden.“ Einen Tag später fand Shaktivel sie in einer Leichenhalle. Er habe sie nur an ihrem Ehering erkannt, berichtet er, mühsam um Fassung ringend. Neben ihm versuchen Menschen, mit Hilfe von Fotos schwer verstümmelter Leichen ihre Liebsten zu identifizieren.
Shanta Prasad half, verletzte Kinder aus St. Antonius ins Krankenhaus zu bringen. „Ich trug acht Kinder“, erzählt er. „Unter ihnen waren zwei Mädchen, sechs und acht Jahre alt – so alt wie meine Töchter.“ „Ihre Kleider waren blutgetränkt“, sagt er. „Es ist einfach unerträglich, diese Art der Gewalt wieder erleben zu müssen.“
Bei vielen Menschen in Sri Lanka rufen die Anschläge Erinnerungen an den blutigen Bürgerkrieg mit tamilischen Rebellen wach. Von 1983 bis 2009 kämpften die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ für einen unabhängigen Staat der Minderheit im Norden der Insel. Der Bürgerkrieg war die Folge eines lange schwelenden Konflikts zwischen den hinduistischen Tamilen und den buddhistischen Singhalesen, die rund 75 Prozent der Bevölkerung auf Sri Lanka stellen. Schätzungen zufolge starben an die 100 000 Menschen in dem Bürgerkrieg, der 2009 endete.
Der Terror vom Ostersonntag kostete mindestens 290 Menschen das Leben, darunter 35 Ausländer. Auch ein Deutsch-Amerikaner sei unter den Opfern, bestätigte das Auswärtige Amt gestern.
Das Motiv der Anschläge ist noch unklar. Dass sie mit dem alten Konflikt zwischen Tamilen und Singhalesen zu tun haben, glaubt die Regierung nicht. Sie geht von einem islamistischen Hintergrund aus. Nur 9,7 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, gerade mal 7,4 Prozent Christen. Noch hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt. aber die Regierung sieht die örtliche islamistische Organisation National Thowheeth Jamath (NTJ) als Drahtzieher. Alle sieben Selbstmordattentäter seien Bürger von Sri Lanka, sagte Rajitha Senaratne, Sprecher des Kabinetts in Colombo. Die Organisation habe jedoch Hilfe eines internationalen Netzwerkes gehabt, ist er sich sicher. Spekuliert wird, ob die Gruppe Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) unterhielt. 24 Verdächtige wurden festgenommen.
In Colombo gilt der Notstand, zusätzlich eine nächtliche Ausgangssperre. Die Lage ist angespannt. Soziale Netzwerke blieben blockiert. Und womöglich ist die Anschlagsgefahr noch nicht völlig gebannt. Die Polizei fand am Sonntagabend einen Sprengsatz unweit des Flughafens. Am Montag entdeckte sie nahe St. Antonius einen Sprengsatz in einem geparkten Auto. Das Auto wurde gesprengt. An einer Bushaltestelle wurden 87 Zünder sichergestellt.
Die Polizei in Sri Lanka hatte im Vorfeld Hinweise auf mögliche Angriffe auf Kirchen und Touristenziele – die ersten lagen nach Angaben von Kabinettssprecher Rajitha Senaratne bereits am 4. April vor. Am 11. April warnte der Vize-Polizeichef vor Anschlägen der National Thowheeth Jamaath auf katholische Kirchen sowie die indische Botschaft in Sri Lanka. Premierminister Ranil Wickremesinghe kündigte eine Untersuchung an. Er sei nicht über die Hinweise informiert worden. Der Muslim-Rat von Sri Lanka erklärte, er habe den militärischen Nachrichtendienst bereits vor drei Jahren persönlich vor der Gruppe gewarnt.
Die Menschen auf der Straße sind jedenfalls völlig überrascht. Die christliche Minderheit blieb in Sri Lanka bisher von gezielten Angriffen verschont. Selbst während des Bürgerkriegs hatte es keine Attentate auf Kirchen oder Touristen gegeben. dpa, afp,,epd