München – Gas geben, nie bremsen, vor allem aber niemals anhalten – das ist Alfons Schuhbeck. Jede Nacht trainiert der bekannte Koch von halb eins bis halb zwei seine Muskeln. Davor wird gearbeitet, geschlafen wird zwischen zwei und sieben. Die Eckpfeiler eines rastlosen Lebens. Am Donnerstag wird Alfons Schuhbeck 70 Jahre alt. Mit unserer Redakteurin Ulrike Schmidt ging Schuhbeck auf Tour – und ließ sich ein bisserl ins Herz schauen.
Am Platzl, früh um 8.30 Uhr: Frisch gestärkt schaut Schuhbeck in die Runde – Südtiroler Stuben, Müsli- und Teeladen, Orlando, Sportsbar, Eissalon, das Sterne-Lokal Alfons, Kochschule und die Schaltzentrale, das Büro. 360 Grad – alles seins. Hier, im Herzen der Münchner Altstadt, hat sich Schuhbeck ein Imperium aufgebaut.
Der Espresso kommt mit Ingwer-Tropfen – Schuhbecks persönliches Kraftstoffadditiv. „I nimm koane Medikamente, nur Gewürzkapseln und Ingwer“, sagt er. Das iPhone brummt gefühlt sekündlich, Namen reihen sich am Display auf, bei Frau Schröder nimmt Schuhbeck das Gespräch an. Er ist privat zum Geburtstagsfest des Ex-Kanzlers in Hannover eingeladen. Schröder und Schuhbeck – das ist eine Freundschaft. „Manchmal ruft er an, wenn er einen Tipp braucht, wie die Bratkartoffeln knuspriger werden. Mich freut das!“
Das iPhone brummt wieder: Sohn David (22) sendet eine Whatsapp aus Japan. Davids Bruder Adam (27) arbeitet in der Immobilienbranche, die kleine Schwester Carolin hat das Abi mit 1,2 gemacht und ist medizinisch interessiert. „I muaß amal schauen, wer von den Kindern bei mir amal einsteigen möcht’ und wer auch das Talent dazu hat.“
Mehr Familiäres gibt es nicht, Schuhbeck hält seine Liebsten aus dem öffentlichen Leben heraus. Viel Zeit für Familie hatte er eh nie, nur das gemeinsame sonntägliche Mittagessen war fix. Schuhbeck sagt: „Ich hab’ meinen Kindern vorgelebt, wie man fleißig ist und Gas gibt. Den Anstand hat ihnen ihre Mutter beigebracht.“
Auch seine Mutter Agnes hat ihm und seinem Bruder Helmut Anstand und Gottesfurcht beigebracht. Damals hieß Schuhbeck noch Karg und die Adoption durch Wagings Kurhaus-Wirt Sebastian Schuhbeck wie auch die Hotelfachschule waren noch so undenkbar wie die Karriere als Liebling der Stars. „Bei uns war nach dem Krieg alles auf Sicherheit ausgerichtet, da hab ich halt Fernmeldetechniker werden müssen, obwohl ich mit Technik rein gar nix am Hut hatte“, erinnert er sich. „Bei der Aufnahmeprüfung zur Lehre hab’ ich dann mit Absicht die Drähte so verbogen, dass ich durchgefallen bin. Doch dann hat sich ein anderer den Fuß gebrochen und ich bin nachg’rutscht.“ 14 Jahre alt war Schuhbeck da. Sonntags ging es in die Kirche. „Wenn mein Bruder und ich auch nur eine Maiandacht ausgelassen haben, hing der Haussegen schief. Aber der Glaube lehrt einem auch den Glauben an sich selbst. Der bringt dir ordentlich zusätzliche PS im Leben!“
Seine Haushälterin kommt des Weges. Seit 30 Jahren seine Perle. Sie will wissen, was er mit zur Feier nach Hannover nimmt. „Da ziag i a Hosn o, a Sakko und a weiß’ Hemad, ohne Krawattn.“ „I muaß Vollgas geben können. Alles andere müssen die anderen machen.“ Zum Beispiel das Kochjacken-Management. Einhundert hängen im Schrank, fünf braucht er am Tag. Flecken, Knitterfalten – undenkbar! Alles geregelt.
Schuhbeck selbst liegt das Geregelte eher nicht. Weder im Familien- noch im Berufsleben. „Ich mag frei sein“, bekennt er. Obwohl er es mit 19 Stunden Arbeit am Tag eigentlich nicht ist. „Ich will immer sofort alles umsetzen.“ Das ist seine Freiheit, die seinem Umfeld bisweilen zu schaffen macht. „Ich hab eine Leidenschaft und die lass’ ich mir nicht nehmen!“
10.30 Uhr, Viktualienmarkt: Hier schlägt Schuhbecks Herz gleich ein bisschen schneller. Er weiß, wie Lebensmittel auf den Körper wirken: Knoblauch, Ingwer, Chili. „Körper, Geist und Seele – es gibt keine Krankheit, die nicht mit allem zu tun hat, das Essen alleine ist es nicht. Ich sag immer: Der gute Gedanke heilt, der schlechte entzündet. Viele ernähren sich auch falsch, weil sie sich selber nichts wert sind. Wenn ich meinen Körper 19 Stunden am Tag fordere, muss ich ihm guten Sprit geben. Aber was tun die Leut’? Sie geben dem Körper ein Öl um zwei Euro und dem Auto eines um 35 Euro – da stimmt doch was nicht!“
11.30 Uhr, Weißwürscht beim Sedlmayr: Das Fleischliche mag Schuhbeck, vor allem die Weißwürscht. Ob es auch einen Schuhbeck zum Schmusen gibt? „Den werds aa gebn!“, meint er nur. „Ich glaub ned, dass ich aus Beton bin. I bin wie jeder normale Mensch, da fehlt sich gar nix.“ Und: „Ich mag Harmonie, ich mag ned streiten, ich mag immer alles kitten.“
Nachmittags am Starnberger See, der Blick schweift über Wasser und Berge. „Ich bin ein durch und durch bayerisches Wesen“, bekennt Schuhbeck. Und ein Bayer sei halt manchmal auch grantig, räumt Schuhbeck ein. „Ich bin ein Bayer mit Leib und Seele – auch von der Sprache und dem Denken. Diese bayerische Gemütlichkeit kann man nicht lernen. Man ist von null auf hundert im Bruchteil einer Sekunde und auch schnell wieder herunten. Und: Ich mag die Berge lieber als das Meer.“
Und Fleisch lieber als Fisch? „Wenn’st mich so fragst, dann ist mir das Grätenfreie lieber.“ „Ich mag auch die bairische Sprache, weil du in einem Satz eine ganze DIN-A4-Seite sagen kannst. Im Norddeutschen wird erklärt und erklärt, und wenn’st drauf sagst, ,Geh, leck mich doch!‘, kriegst eine Gerichtsverhandlung. In Bayern is ,Geh, leck!‘ a Auszeichnung.“
Erste Berühmtheit erlangte er übrigens in der „Traunsteiner Zeitung“ als Saubua, weil er mit seinen Spezln einen Eimer Persil in einen großen Brunnen schüttete, was zur Folge hatte, dass der halbe Park in Waschmittel-Schaum badete. Heute kennt den Schuhbeck jeder – von Traunstein bis Flensburg. Wo es heute noch hingehen soll? „A gscheit’s Würschtlstandl hätt i no gern. Auf alle Fälle gib i weiter Gas!“ ULRIKE SCHMIDT