Neufahrn – Erst düst ein ferngesteuertes Auto durchs Wohnzimmer. Dann zwei, dann drei. Karambolage. Drei Fünfjährige kreischen auf. Mama Sabine Hartl nimmt die Autos, stellt sie aufs Regal. Der Streit ist schnell geschlichtet. Ein Glück.
Seit fünf Jahren sorgen Nepomuk, Emil und Felix für einen turbulenten Familienalltag im Hause Hartl. „Manchmal geht es an die Grenzen der Belastbarkeit“, sagt die 41-jährige Mama. „Berge von Wäsche, Berge von Geschirr, Berge von Kindern“: So fasst Papa Stefan, 42, das Leben in der Großfamilie zusammen.
Wäre es nach den Eltern gegangen, hätte es auch erst mal eine Nummer kleiner sein dürfen. Ein Brüderchen oder ein Schwesterchen hatten sie sich für ihre Tochter Emma, inzwischen sieben Jahre alt, gewünscht. Als auf dem Ultraschallgerät Zwillinge zu erkennen sind, bleiben sie gelassen. „Wir dachten, das packen wir“, sagt Papa Stefan. Nach dem nächsten Frauenarzttermin kommt Sabine aufgelöst nach Hause. Ihr empörter Ausruf – „nix Zwillinge, es werden Tick, Trick und Track“ – gehört mittlerweile zu den lustigen Familienanekdoten. „Damals war mir nicht zum Lachen“, sagt sie. Mit einem Mal zur Großfamilie: Der Schreck weicht nur langsam der Freude.
Jedes Jahr kommen in Deutschland rund 200 Mal Drillinge auf die Welt. „Damit rechnest du null“, sagt Stefan Hartl. Ein größeres Auto, eine größere Wohnung müssen her. Das Paar fragt sich, wie es alles schaffen soll.
Die Schwangerschaft verläuft ohne Probleme. Keine Selbstverständlichkeit – immerhin steigt bei Mehrlingsgeburten die Gefahr für Komplikationen.
Am 6. Februar 2014 beginnt das Drillings-Abenteuer. Sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin werden die Buben im Klinikum rechts der Isar in München per Kaiserschnitt entbunden. Im Kreißsaal sind 14 Personen – Ärzte, Hebammen und Schwestern. Eine Drillingsgeburt gibt es nicht alle Tage. Nepomuk, Emil und Felix kommen kerngesund zur Welt, wiegen jeweils rund 2000 Gramm. Die eineiigen Zwillinge Nepomuk und Emil sehen sich so ähnlich, dass die Eltern ohne die Namensbändchen am Arm aufgeschmissen wären. „Aber bald findet man Unterschiede, an denen man sie auseinanderhalten kann“, sagt der Vater.
In der ersten Zeit läuft das Familienleben im Schichtbetrieb ab. Der Berufsschullehrer bleibt zehn Monate in Elternzeit zu Hause, Erzieherin Sabine Hartl nimmt 14 Monate Auszeit vom Job. Sie geht früher ins Bett, steht früher wieder auf. Auch nachts müssen Fläschchen gewärmt und Windeln im Akkord gewechselt werden.
„Wir sind recht pragmatisch“, sagt die Vierfach-Mama. Schnell entwickeln die Hartls eine ausgeklügelte Methode, um alle drei Jungs gleichzeitig satt zu bekommen: Dank Nackenhörnchen können die Babys ihre Flaschen selbstständig trinken. Entspannt hat die Mama die Nächte trotzdem nicht in Erinnerung. „Felix war sehr nachtaktiv.“ Was das bedeutet? Unzählige Autofahrten über den Mittleren Ring, um das Kind zum Einschlafen zu bringen.
Einmal gerät Sabine Hartl in eine Verkehrskontrolle. „Die Polizisten wollten sich aber nicht mit einer übermüdeten dreifachen Säuglingsmama anlegen und haben meinen Führerschein gar nicht angeschaut“, sagt sie lachend.
Als die Belastung zu viel wird, suchen die Hartls Hilfe. Über den Verein „Welcome e.V.“ kommt Renate zu ihnen. Die 52-Jährige hilft im Haushalt, springt als Tagesmutter ein, als Sabine Hartl wieder arbeitet. Inzwischen besuchen die Drillinge den gleichen Kindergarten, in dem ihre Mama arbeitet.
Die Familie ist aus München nach Neufahrn in ein Reihenhaus gezogen. Während in der Stadt fast alle Mamas berufstätig waren, werde sie hier öfters gefragt, wie sie es schaffe, mit vier Kindern zu arbeiten. „Ich brauche das aber einfach für mich“, sagt Sabine Hartl.
Zu wissen, was einem gut tut, sei wichtig, sagen die Hartls. Und sich gegenseitig zu unterstützen. Stefan Hartl nimmt sich sportliche Auszeiten. Bis vor zwei Jahren war er Trainer der D-Junioren des FC Bayern. Eine Aufgabe, die viel Zeit kostete. „Das hat alles Sabine aufgefangen“, sagt er. Die Mama freut sich, wenn sie mal mit Freundinnen ins Restaurant kommt. „Langsam ist das wieder möglich.“ Nur Zeit zu zweit hat das Paar wenig. Die Großeltern wohnen im Bayerischen Wald, vier Kinder über Nacht zu nehmen, trauen sie sich noch nicht zu.
Aber inzwischen ist der Alltag mit dem kleinen Chaos-Trio sehr eingespielt. „Organisation und Planung ist alles“, sagt Sabine Hartl. Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker, die Eltern trinken einen Kaffee, wecken die Kinder. Die ziehen sich selbst an, essen Müsli, putzen Zähne. „Bei uns gibt es klare Regeln.“
Obwohl sie gleich alt sind und Nepomuk und Emil sich bis heute zum Verwechseln ähnlich schauen – im Kindergarten treiben sie ihre Erzieherinnen damit oft in den Wahnsinn: Jedes Kind hat seinen eigenen Charakter. „Emil ist sensibel, Nepomuk ein Draufgänger, Felix unser Professor Sturkopf“, sagt Stefan Hartl.
Die große Schwester muss oft vernünftig sein und ist manchmal genervt von den kleinen Brüdern: „Die sind so laut“, sagt sie. Rückzug findet sie in ihrem eigenen Zimmer. Die drei Buben teilen sich eines. Wenn sie älter sind, wollen die Hartls umbauen, um jedem ein eigenes Reich zu schaffen. Doch momentan sind die Kinder unzertrennlich. Sie rollern um die Häuser, spielen Hockey und Fußball. Dank seines Lehrerberufs kann Stefan Hartl sich nachmittags auch mit den Kindern beschäftigen. Wenn gegen 20 Uhr Ruhe einkehrt und alle im Bett sind, fallen die Hartls oft erschöpft aufs Sofa. „So schön unser Leben ist, abends sind wir immer platt“, sagt Sabine lachend.