von Redaktion

In knapp zwei Wochen ist Europawahl – viele Briefwahlunterlagen sind schon verschickt. In Deutschland ist die Beteiligung freiwillig, anderswo gilt Wahlpflicht. Auch die Stimmengewichtung ist unterschiedlich. Hier lesen Sie die wichtigsten Fakten. Es ist der erste Teil unserer Serie zur Europawahl.

VON ALEXANDER WEBER UND STEFAN REICH

Wann wird gewählt?

Die Wahl zum europäischen Parlament zieht sich über mehrere Tage. Sie beginnt am 23. Mai, in Deutschland ist der Wahltag am Sonntag, 26. Mai. Die vorläufigen Ergebnisse aus allen 28 Staaten (die Briten nehmen überraschend ja auch noch teil) werden am 26. Mai am Abend verkündet.

Was genau wird gewählt?

In jedem Mitgliedsland wählen die Bürger die Vertreter ihres Landes, die für die Wahlperiode 2019 bis 2024 in das EU-Parlament einziehen – es ist also im Kern eine nationale Wahl. Europaweite Kandidatenlisten gibt es nicht. Je nach Größe stehen den Staaten unterschiedlich viele Sitze zu. Deutschland mit seinen 82 Millionen Einwohnern hat mit 96 Sitzen die meisten im Parlament, Frankreich (66 Millionen Einwohner) hat 74 Sitze und Österreich 18 Sitze. Sechs Sitze stehen jedem Land mindestens zu.

Ist dieses Verfahren nicht undemokratisch, weil es kleine Länder bevorzugt, wie Kritiker meinen?

Rein rechnerisch ist die Wahl tatsächlich ungleich. Die Europawahl ist frei, direkt und geheim. Aber das demokratische Prinzip, wonach jede Wählerstimme gleich viel wert ist („One man, one vote“), gilt nicht. So repräsentiert aktuell jeder der 96 Abgeordneten aus Deutschland rund 860 000 Einwohner. Im Gegensatz dazu steht einer der sechs Parlamentarier von Malta für nur 80 000 Inselbewohner. Im Parlament haben die Stimmen der Abgeordneten aber dasselbe Gewicht – egal, wie viele Einwohner ihres Landes sie vertreten. Das ist in den EU-Verträgen festgeschrieben.

Warum ist das so?

Zwei Gründe: Legte man den Maßstab „ein Abgeordneter pro 80 000 Bürger“ für alle Staaten zugrunde, hätten wir ein Monster-Parlament mit tausenden Abgeordneten. Das wäre nicht nur unbezahlbar, sondern auch kaum arbeitsfähig. Würde man hingegen den deutschen Maßstab „ein Abgeordneter pro 860 000 Bürger“ anlegen, hätten einige der EU-Mitgliedstaaten (Beispiel Luxemburg mit knapp über 600 000 Einwohnern) keinen oder nur einen Abgeordneten. Das wäre auch nicht gerecht.

Wie groß ist heute das EU-Parlament?

Bisher hat das EU-Parlament 751 Sitze. Bei der anstehenden Wahl sollten eigentlich nur noch 705 Abgeordnete gewählt werden. Da ging man aber noch von einem vorherigen Ausscheiden der Briten aus. Von den 73 britischen Sitzen sollten 46 wegfallen, die anderen 27 Sitze Ländern zugeschlagen werden, die im Vergleich zu ihrer Bevölkerungsgröße nun unterrepräsentiert sind. Das kann aber erst geschehen, wenn die Briten die EU verlassen. An der Zahl der deutschen Abgeordneten wird sich nichts ändern.

Wer darf wählen?

In Deutschland dürfen alle volljährigen deutschen Staatsbürger an der Wahl teilnehmen. Wie auch bei Bundes- oder Landtagswahlen erhalten sie vor der Abstimmung ihre Wahlbenachrichtigung per Post. Sie sollte schon in Ihrem Briefkasten angekommen sein. Personen, die mehrere EU-Staatsbürgerschaften besitzen, können sich aussuchen, für welches der Länder sie die Abgeordneten wählen wollen. Wichtig: Sie dürfen nur für einen Staat ihre Stimme abgeben. Auch Deutsche, die im Ausland leben, müssen einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen, und zwar bei der Gemeinde, in der sie zuletzt mit Hauptwohnsitz gemeldet waren.

Gibt es die Möglichkeit zur Briefwahl?

Ja. Wer seine Wahlunterlagen erhalten hat, kann damit seine Briefwahlunterlagen beantragen. Je nach Wohnort geht das entweder persönlich vor Ort bei der Gemeindeverwaltung, per Post, E-Mail, Fax oder auch über das Internet.

Wie viele Stimmen habe ich, und wen kann ich wählen?

In Deutschland hat jeder Wähler eine Stimme. Diese kann er an eine der Listen vergeben, mit denen sich Parteien und politische Vereinigungen zur Wahl stellen. Auf den geschlossenen Listen finden sich Kandidaten in einer festgelegten und nicht mehr veränderbaren Reihenfolge. Je mehr Stimmen eine Liste erhält, umso mehr Kandidaten ziehen ins Parlament ein.

Gibt es eine 5-Prozent-Hürde?

Nein. Eine Sperrklausel wie die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl gibt es bei der Wahl zum EU-Parlament in Deutschland nicht. In anderen EU-Ländern wie etwa in Frankreich gibt es eine solche Sperrklausel. Insgesamt treten in Deutschland 41 Parteien und Gruppierungen mit über 1300 Kandidaten zur Wahl an.

Was wird im europäischen Parlament entschieden?

Das Parlament ist der europäische Gesetzgeber. Es hat zwar kein eigenes Initiativrecht. Man schätzt aber, dass ungefähr 80 Prozent der deutschen Gesetzgebung auf europäische Initiativen zurückgeht.

Wie arbeitet das Europäische Parlament?

Das EU-Parlament berät die von der Kommission vorgelegten Verordnungen und Richtlinien. Dabei gibt es nicht die Konstellation Regierung versus Opposition. Zu jedem Thema gibt es einen sogenannten Berichterstatter, der die Verhandlungen im Parlament federführend leitet, bis eine Einigung mehrheitlich gefunden ist. Dann gibt es Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat (der sogenannte TRILOG). Dort müssen Vertreter aller drei Institutionen einen Kompromiss finden. Erst dann wird die Vorlage europäisches Gesetz.

Wo und wie oft tagt das Parlament?

In der Regel zwölf Mal im Jahr kommt das gesamte Parlament für mehrere Tage zu Plenarsitzungen im französischen Straßburg zusammen. Gelegentlich gibt es auch zusätzliche Zusammenkünfte in Brüssel, dem Hauptsitz der Europäischen Union. Dort tagen auch die 20 Ausschüsse des Parlaments. Dazu kommen die Fraktionssitzungen, in denen sich die verschiedenen politischen Gruppierungen abstimmen und auf die Sitzungswochen vorbereiten.

Was hat es mit den Fraktionen auf sich?

In den Fraktionen finden sich Abgeordnete aus unterschiedlichen Ländern mit ähnlichen politischen Grundausrichtungen zusammen. Um eine Fraktion zu bilden, müssen sich Parlamentarier aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten zusammentun. Die größten Fraktionen sind die Europäische Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, und die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D), der sich die SPD angeschlossen hat. Acht Fraktionen gibt es derzeit. 21 Abgeordnete sind fraktionslos.

Wie hoch ist der Frauen-anteil?

Der Frauenanteil im Europaparlament ist von Wahl zu Wahl gestiegen. Anfang 1979 waren es erst 16,3 Prozent, 2014 dann 36,9 Prozent. Die Spitze belegt Malta (67 Prozent), gefolgt von Irland und Schweden (je 55). Das 96-köpfige deutsche Kontingent liegt im Mittelfeld. 35 der 96 Parlamentarier sind weiblich.

Was verdient ein Europa-Abgeordneter?

Ein EU-Abgeordneter erhält monatlich 8757 Euro, die er versteuern muss. Hinzu kommen eine Kostenpauschale von 4513 Euro und ein Tagegeld von 320 Euro pro Teilnahme an Sitzungen. Die Grundbezüge orientieren sich am Gehalt eines Richters am Europäischen Gerichtshof.

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