Meistens kümmert sich die Mama

von Redaktion

Reform des Unterhaltsrechts: Väter, die sich engagieren, sollen künftig weniger zahlen. Ist das gerecht?

München – Alleinerziehende in Deutschland sind besonders von Armut bedroht. Und nach wie vor sind es hauptsächlich Frauen – in 86 Prozent der Fälle – die sich nach einer Trennung um die Kinder kümmern. Sie kämpfen mit Sorgen um den Arbeitsplatz, mit hohen Mieten, oftmals zahlen die Väter nicht den vorgeschriebenen Unterhalt. Doch ausgerechnet die Situation von getrennt lebenden Vätern will SPD-Familienministerin Franziska Giffey verbessern. Sie hat vorgeschlagen, Väter finanziell zu entlasten, wenn sie sich mehr um ihre Kinder kümmern.

Diese Idee stößt vielen alleinerziehenden Müttern sauer auf. Doch es gibt auch engagierte Väter und getrennt lebende Familien, in denen sich beide Elternteile gleichermaßen um die Kinder kümmern. Zwei Mütter und ein Vater schildern, wie sich ihr Alltag nach der Trennung verändert hat.

Doreen Borchert, 36, aus München, zwei Kinder, sieben und eineinhalb Jahre alt

9.30 Uhr in einer Bäckerei in München. Doreen Borchert rührt in ihrem Kakao. Sie genießt die kurze Pause. „Morgens ist es immer eine Fahrerei“, sagt sie. Sie bringt ihren Sohn, 7, in die Schule, danach die anderthalbjährige Tochter in die Krippe. Dafür muss sie sich durch den Berufsverkehr kämpfen. Doreen Borchert hat sich 2012, nur drei Monate nach der Geburt ihres Sohnes, von ihrem damaligen Mann getrennt. Auch die Beziehung zu dem Vater ihrer Tochter hielt nicht. Mit zwei Kindern lebt sie in einer Zweizimmerwohnung, kämpft mit Schimmelbefall. Bis Juni ist sie in Elternzeit, danach wird sie Teilzeit mit 60 Prozent arbeiten.

„Ich will nicht in Hartz IV rutschen“, sagt sie. Sie verdient 1400 Euro netto als Sachbearbeiterin in einer Speditionsfirma. Die Miete für eine Dreizimmerwohnung in München kann sie sich damit nicht leisten. Mit einem Wohnberechtigungsschein hat sie nun eine geförderte, größere Wohnung ergattert – am anderen Ende der Stadt. Die Kinderbetreuung hat sie bereits dorthin verlegt. Beengte Wohnverhältnisse und der Druck in der Arbeitswelt sind es, die ihr zu schaffen machen. „Mein Sohn hat Asthma, ist oft krank, da braucht man einen verständnisvollen Arbeitgeber.“ Um die Unterhaltszahlungen musste sie gerichtlich kämpfen. Inzwischen bekommt sie für ihren Sohn Unterhaltsvorschuss, der Staat springt ein und versucht, das Geld beim Vater zurückzuholen.

Diese Hilfsleistung können Alleinerziehende seit 2017 bis zum 18. Geburtstag der Kinder beziehen. Problem: Der Staat hat es 2018 nur in 19 Prozent der Fälle geschafft, das Geld einzutreiben. In Bayern waren es immerhin 27 Prozent.

Auf das Geld ist Doreen Borchert angewiesen. Die 205 Euro investiert sie in Kleidung, Lebensmittel und Freizeitbeschäftigungen für den Sohn. Ebenso wie die Unterhaltszahlungen für ihre Tochter. Der Vater zahlt regelmäßig 250 Euro. „Wir haben nicht viel Geld, aber ich will, dass meine Kinder was erleben“, sagt sie. Gerne gehen sie in den Münchner Zoo, eine Jahreskarte macht das möglich.

An ihrem Alltag gehe der Vorschlag aus dem Familienministerium völlig vorbei, sagt sie. Zwar habe der Sohn Kontakt zum Vater. „Er fühlt sich dort aber nicht wohl.“ Der Vater der Tochter lebt in Hamburg. „Da ist kein Interesse da, sich zu kümmern.“

Ines Petrow, 43, aus München, kümmert sich alleine um Tochter, 20, und Sohn, 14.

Die Idee, Scheidungsvätern die Unterhaltungszahlungen zu reduzieren, wenn sie sich mehr kümmern, macht Ines Petrow Angst. Nicht, weil sie dann weniger Geld von ihrem Ex-Mann bekäme, sondern weil sie ihm theoretisch mehr bezahlen müsste. „Ich bin ein spezieller Fall“, sagt die Mutter, die als Assistentin eines Bereichsleiters in einem großen Unternehmen nach eigenen Angaben überdurchschnittlich verdient. So gut, dass sie eigentlich ihrem Ex-Mann, von dem sie seit 2016 getrennt lebt, einen Unterhalt zahlen müsste. Zurzeit macht dieser die Unterhaltsansprüche ihr gegenüber nicht geltend. „Ich kann nachts aber oft nicht schlafen, aus Angst, dass er es sich anders überlegt“, sagt die Frau, die zum zweiten Mal in ihrem Leben alleinerziehend ist. Ihren echten Namen möchte sie nicht preisgeben. Schon vor 18 Jahren sorgte sie zwei Jahre lang alleine für ihre damals zweijährige Tochter. Auch jetzt leben beide Kinder bei ihr, die Tochter ist 20, der Sohn 14 Jahre alt. „Auch wenn die beiden schon älter sind, ich kämpfe mit den Sorgen aller Alleinerziehenden.“ Sind die Kinder krank, muss sie ihrem Arbeitgeber Bescheid geben, erzieherische Konflikte löst sie alleine.

Die rechtliche Situation hat sich Petrow von ihrem Anwalt erklären lassen. Da ihr Mann in dem Bemessungszeitraum vor der Trennung, der für den Ehegatten-Unterhalt relevant ist, krank war und als Selbstständiger kaum Einkünfte hatte, muss sie das theoretisch ausgleichen. „Ich bin dankbar, dass er darauf verzichtet und sogar etwas Unterhalt an unseren Sohn bezahlt.“

Petrow will sich nicht vorstellen, wie hoch die Summe wäre, wenn ihr Ex-Mann sich mehr in die Betreuung einbringen würde und dementsprechend weniger Unterhalt zahlen müsste. „Das wäre mein finanzieller Ruin.“ Doch der Vater habe ohnehin kaum Zeit, sich mehr zu kümmern. Inzwischen sei er beruflich erfolgreich. „Wie kann es sein, dass ich die Betreuung übernehme und Ehegatten-Unterhalt bezahlen soll?“, fragt sie sich.

Thorsten Feuerabend, 51, aus Haar, zwei Töchter, heute 14 und 20 Jahre alt. Lebt seit sieben Jahren das Wechselmodell.

Die 14-jährige Tochter hat zwei Kinderzimmer – eines bei Mama und eines bei Papa. Luftlinie liegen nur wenige hundert Meter dazwischen. Manchmal bleibt ein Schulbuch im falschen Zimmer, insgesamt klappt das Leben abwechselnd bei beiden Elternteilen aber gut. Die 20-jährige Tochter lebt inzwischen in Berlin.

Vater Feuerabend erinnert sich, wie es ihm nach der Trennung vor sieben Jahren ging: „Ich wollte mich intensiv um meine Töchter kümmern. Alle zwei Wochenenden und die halben Ferien waren mir zu wenig.“ Er machte seiner Ex-Partnerin deshalb den Vorschlag, sich die Betreuung paritätisch zu teilen. „Es hat eigentlich immer gut geklappt.“ Gute Planung, sagt er, sei die Voraussetzung.

Um den 20. eines Monats vereinbart das getrennt lebende Paar für den Folgemonat, wann die Kinder wo sind. Beide Töchter haben eine offene Ganztagesschule besucht mit Betreuung bis 16 Uhr. Seine Ex-Partnerin arbeitet als Erzieherin in einem Wohnheim. „Für sie war unser Modell jobtechnisch auch gut, weil sie mehrmals im Monat über Nacht arbeiten muss.“

Im Bekanntenkreis beneideten ihn viele andere getrennt lebende Väter. „Aber die Voraussetzungen müssen passen.“ Am wichtigsten sei seiner Ex-Partnerin, dass die Kinder damit klarkommen. „Ein Vorteil ist, dass wir im selben Ort wohnen.“ Außerdem zeige auch seine neue Partnerin großes Verständnis. „Keine Selbstverständlichkeit.“ Wichtig sei außerdem, dass die Elternteile, auch wenn sie getrennt sind, bei Erziehungsfragen die gleichen Ansichten haben. „Wir mussten uns schon absprechen, wie wir mit bestimmten Situationen umgehen.“

Auf das Modell hat sich das getrennte Paar ohne Anwalt geeinigt. Genauso selbstverständlich, wie die Betreuungsaufteilung, war dem Vater, dass das Finanzielle fair geregelt ist. „Ich verdiene deutlich mehr und zahle deshalb Unterhalt.“ Dem Diplom-Wirtschaftsingenieur war wichtig, dass seine Kinder auch bei der Mutter ein eigenes Zimmer haben.

Bei Feuerabend hat es rückblickend ohne großen Streit geklappt hat. Trotzdem wünscht er sich Nachbesserungen im Unterhaltsrecht. „Unterhaltszahlungen sind nicht zweckgebunden. Ich fände es für Väter gut, wenn sie wüssten, wofür das Geld ausgegeben wird.“ Aber am meisten wünscht er sich, dass Väter zur Rechenschaft gezogen werden, die den Unterhalt verweigern: „Ich kann nicht verstehen, wie man sein Kind so im Stich lassen kann.“ TEXTE: AGLAJA ADAM

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