Väter von Trennungskindern sollen künftig weniger Unterhalt zahlen, wenn sie sich mehr in die Erziehungsarbeit einbringen. So lautet ein Vorschlag der Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Alleinerziehende Mütter fürchten Unterhaltskürzungen. Doch es gibt viele Männer, die sich gerne mehr um ihre Kinder kümmern würden, sagt Petra Kuchenreuther, Fachanwältin für Familienrecht aus München.
„Einer zahlt, einer betreut“: Ist das immer noch das gängige Modell?
Nach wie vor leben Kinder nach einer Trennung häufiger bei der Mutter. Aber es hat sich unglaublich viel verändert. Ich arbeite seit 1994 als Anwältin für Familienrecht. Insgesamt ist die Bereitschaft der Männer, sich in die Kinderbetreuung einzubringen, enorm gewachsen. Während früher viele Männer resignierten – gegen den erklärten Willen der Mutter hatten sie keine Chance – kämpfen die Väter heute um mehr Zeit mit ihren Kindern.
Warum wollen Mütter nicht, dass sich Väter mehr um ihre Kinder kümmern?
Aus unterschiedlichen Gründen. Einerseits fürchten sie eine zu starke Einflussnahme – manchmal auch durch neue Partnerinnen. Aber es spielen auch finanzielle Erwägungen eine Rolle: Wenn ich dem Vater mehr Umgang einräume, könnte er auf die Idee kommen, den Unterhalt nicht mehr voll zu bezahlen.
Ist eine verminderte Unterhaltszahlung denn schon möglich?
Es gab schon Rechtssprechungen vom Bundesgerichtshof. Derzeit ist es eine Einzelfallentscheidung. Bislang gilt die Faustregel: Bei einer Betreuungsaufteilung von bis zu 50 Prozent ist noch der volle Unterhalt zu zahlen. Ein aktuelles Beispiel zeigt aber: Beim Wechselmodell, also wenn beide Elternteile jeweils zur Hälfte die Kinder betreuen, orientiert sich der Unterhalt an den beidseitigen Einkommen der Eltern. Der Elternteil, der mehr verdient, muss dem anderen einen Ausgleich zahlen.
Was wäre die Neuerung?
Wir haben bislang noch keine gesetzliche Regelung, wie der Ausgleich konkret berechnet wird. Jedes Trennungspaar vereinbart individuelle Umgangsregeln. Das birgt viel Konfliktpotenzial. Um Kinder wird immer furchtbar gestritten. Mit guten gesetzlichen Grundlagen wüssten beide Elternteile, worauf sie sich einlassen.
Fühlen sich Väter oft finanziell ausgenommen?
Es gibt viele Väter, die den Verdacht äußern, dass die Unterhaltszahlungen nicht für das Kind verwendet werden.
Ist es nicht logisch, dass in München ein Teil der Unterhaltszahlungen zum Beispiel in die Miete fließt?
Natürlich. Aber mit den hohen Mieten kämpfen auch die Elternteile, die die Kinder weniger betreuen. Auch wenn sie ein normales Umgangsrecht wahrnehmen und die Kinder jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien betreuen, brauchen sie genügend Wohnraum. Der Unterhalt ist meistens auch kein Problem, wenn ein Paar nur ein Kind hat. Bei zwei oder drei Kindern steigt er, Belastungen von 1000 bis 1200 Euro im Monat sind häufig. Zahlen Sie das mal als Normalverdiener neben einer Miete. Das ist fast unmöglich.
Und was ist, wenn die Frau einen neuen Partner hat, der sehr gut verdient?
Es geht ja um den Unterhalt für die Kinder. Der Pflichtunterhalt bleibt bestehen. Was allerdings berücksichtigt wird: Verdient der betreuende Elternteil ein Vielfaches mehr als der Unterhaltspflichtige, kann es sein, dass er den kompletten Barunterhalt zahlen muss.
Mehr betreuen, um weniger zu zahlen: Ist es das, was sich Väter wünschen?
Engagierten Scheidungsvätern geht es nicht vorrangig ums Geld. Sie stellen die Kinder in den Fokus und wollen sich mehr in die Betreuung einbringen. Damit ein Wechselmodell klappen kann, brauchen wir vor allem eine bessere Kinderbetreuungssituation, ausreichend Kitaplätze und Ganztagsschulangebote. Außerdem muss der Arbeitsmarkt flexibler werden, mit Teilzeitmöglichkeiten auch für Männer und der Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Diese Probleme treffen natürlich berufstätige Mütter ebenso.
Interview: Aglaja Adam