Er ist die deutsche Stimme aus dem Off – seit 1997 kommentiert Peter Urban für die ARD das Finale des Eurovision Song Contest, nur einmal, 2009, war er wegen Krankheit nicht dabei. Der inzwischen 71-jährige Radiomoderator ist ein Kenner der nationalen und internationalen Musikszene. Wir sprachen mit ihm über die Aussichten des deutschen Beitrags.
S!sters mit „Sister“ – aus Ihrer Sicht die geeignetsten Interpretinnen und der geeignetste Titel, um Deutschland zu vertreten?
Selbstverständlich! S!sters haben den Vorentscheid überlegen gewonnen, sie sind bei zwei von drei Jurys vorne gelandet. Sie präsentieren sich ganz großartig bei den Pressekonferenzen hier in Tel Aviv. Als Gastgeschenk haben sie eine Gospelversion von „Hallelujah“ (Israels Siegertitel von 1979, Red.) mitgebracht, da hatten erwachsene Männer Tränen in den Augen.
Nach dem Vorentscheid wurde kritisiert, dass mit „Sister“ ein Titel quasi recycelt wurde, der eigentlich für den Schweizer Vorentscheid im Jahr davor geschrieben wurde…
Der Vorwurf, dass „Sister“ ein recycelter Titel sei, ist komplett unsinnig! Es ist im Musikbusiness absolut üblich, dass Titel auch einmal jahrelang in der Schublade liegen und dann, wenn der geeignete Künstler oder die geeignete Künstlerin kommt, zu einem Hit werden. Nehmen wir Lenas Siegertitel „Satellite“ von 2010, da war es genauso. „Sister“ wurde in der Tat zuerst der Schweiz angeboten, die fand aber keine geeigneten Sängerinnen. Damit war der Song wieder frei, war dann im Rennen für den deutschen Vorentscheid, und dann wurden zwei Sängerinnen speziell dafür gesucht und gefunden. Laurita und Carlotta sind die Richtigen, sie interpretieren diesen Titel ganz hervorragend.
Es ist kein Makel, dass S!sters einander vorher nicht kannten?
Aus meiner Sicht – nein! Es ist gang und gäbe, dass Duos oder Bands für ein bestimmtes Projekt zusammengestellt werden und dann großartige Arbeit abliefern. Gecastet wurde schon in den Sechzigern, denken Sie an The Supremes, die dann eine Weltkarriere gemacht haben. S!sters sind zwar erst drei Monate zusammen, aber sie sind in dieser Zeit durch halb Europa gereist, waren im Studio, haben geprobt, haben fast jeden Tag zusammen verbracht. Die kennen sich besser als manches Paar nach vielen Jahren Ehe.
Sie haben sich sicher schon eingehört in die Titel der Konkurrenten – wer hat die größten Chancen?
Voraussagen beim ESC sind immer schwer. Aber was ich bisher gehört und gesehen habe, werden wahrscheinlich Länder wie Schweden, Italien, Russland oder Australien vorne zu finden sein und vielleicht als Außenseiter Aserbaidschan oder die Schweiz, die mit Luca Hänni ganz gute Chancen zu haben scheint.
Der ESC findet diesmal in einem Land statt, das immer wieder in militärische Auseinandersetzungen mit dem Nachbarn verstrickt ist und in dem auch einmal Raketen in Wohngebieten einschlagen. Fühlen Sie sich sicher?
Natürlich beunruhigen solche Auseinandersetzungen, aber Gott sei Dank gibt es ja jetzt eine Waffenruhe, die auch zu halten scheint. Sicherheit wird hier großgeschrieben, aber da passiert sehr viel im Hintergrund, man kann sich frei bewegen. Die Menschen hier in Tel Aviv sind aber sowieso immer sehr cool, das ist schon bewundernswert. Natürlich wünscht man sich, dass der ESC mit seinen völkerverbindenden Inhalten dazu beitragen kann, dass in der Region endlich Frieden herrscht, nicht nur in diesen Tagen, sondern auch darüber hinaus.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.