München – Ein Laborgebäude in Unterfranken, ein Deich in der Oberpfalz, eine Hackschnitzelanlage im Münchner Umland oder neue Grünanlagen in diversen Innenstädten in ganz Bayern. Es ist eine scheinbar bunt zusammengewürfelte, lange Liste, die die Vertretung der Europäischen Kommission in München führt. Es gibt vielerlei Töpfe, aus denen EU-Fördermittel nach Bayern geholt werden. In der derzeit laufenden Förderperiode – die umfasst die Jahre 2014 bis 2020 – werden rund 2,3 Milliarden Euro aus sogenannten EU-Strukturfonds in den Freistaat fließen, rechnet Kommissionssprecher Steffen Schulz vor.
Eine halbe Milliarde davon stammt aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Das Geld soll unter anderem helfen, Arbeitsplätze in den betreffenden Regionen zu schaffen, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu verbessern und das Wirtschaftswachstum dort zu steigern. Gefördert werden damit beispielsweise innovative und Forschungs-Projekte in Unternehmen.
Rund 300 Millionen Euro stammen aus dem Europäischen Sozialfonds und sollen helfen, Beschäftigungs- und Bildungschancen zu verbessern. Konkret gefördert werden beispielsweise Projekte, die Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integrieren sollen.
Gut 1,5 Milliarden Euro fließen in der aktuellen Förderperiode aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums nach Bayern. Hinzu kommen Direktzahlungen an die Landwirte – ein Kernelement der EU-Agrarförderung (siehe Randspalte rechts). Rund fünf Milliarden Euro fließen auf diese Weise pro Jahr nach Deutschland – wobei sich die Gelder vor allem nach der Größe der bewirtschafteten Fläche richten. Voraussetzung ist, dass die Landwirte bestimmte Umwelt- und Tierschutzstandards einhalten.
Doch diese durchaus beträchtlichen Summen sind noch nicht alles, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) erklärt, der in Personalunion auch bayerischer Europaminister ist. „Die Direktzahlungen für die Landwirtschaft und die Förderprogramme der EU sind nur das eine. Das andere sind die finanziellen Auswirkungen für unsere Wirtschaft, die nicht zu unterschätzen sind“, sagt Herrmann und betont: „Mit unserer stark exportorientierten Wirtschaft profitieren wir enorm von der EU und vom europäischen Binnenmarkt.“
Tatsächlich hat die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) jüngst eine Studie vorgelegt, wonach allein die EU-Osterweiterung der bayerischen Wirtschaft finanziell einen kräftigen Schub gegeben hat: In den vergangenen 15 Jahren wurden die Exporte in die damals neu aufgenommenen Länder mehr als verdoppelt – auf zuletzt 22,6 Milliarden Euro. Im Jahr 2004 lag der Wert noch bei rund 11 Milliarden Euro. „Die Beitrittsstaaten aus Mittel- und Osteuropa sind heute unersetzbarer Teil der Wertschöpfungskette unserer Unternehmen“, betonte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 56,4 Prozent der bayerischen Exporte mit einem Volumen von gut 107 Milliarden Euro in Mitgliedsstaaten der EU.
Die Bereiche, für die EU-Fördergelder nach Bayern fließen, sind dabei sehr unterschiedlich. Einige Beispiele aus der Förderliste für Oberbayern: • Bad Tölz-Wolfratshausen: Das Projekt „Kräuter-Erlebnis-Region“, das Besuchern die Welt der heimischen Wildkräuter nahebringen soll, wird seit 2009 über zwei Förderperioden hinweg bis 2020 unterstützt. Ziel des Vorhabens ist es, eine Vielfalt von relevanten Angeboten zu bündeln, darunter den Kräuter-Erlebnis-Park in Bad Heilbrunn, den Heilklimapark Tölzer Land und das im Kloster Benediktbeuern eingerichtete Zentrum für Umwelt und Kultur. • Weilheim-Schongau: In Schongau entstand ein öffentlicher Bikepark mit mehreren Fahrradbahnen und Sitzbereichen. In Hohenpeißenberg wird auf dem sogenannten Schächenhügel innerhalb des Neubaugebietes ein sozialer Treffpunkt eingerichtet. • Starnberg: Das von der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft initiierte Projekt „Pilze der Ammerseeregion“ hatte zum Ziel, den gesamten Pilzbestand der vier Landkreise rund um den Ammersee (Starnberg, Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech und Weilheim-Schongau) zu katalogisieren. Die Artenvielfalt – etwa 3000 Pilzarten – wird in einem großen Pilzkatalog auf einer eigenen Website dokumentiert und zugänglich gemacht. Darüber hinaus bietet das Projekt Bildungsangebote für Schulen an. Ebenfalls gefördert wurde die Beschilderung des König-Ludwig-Wegs für Fernwanderer. Der seit 1977 bestehende 123 km lange Wanderweg führt vom Starnberger See bis nach Füssen; er passiert den Ammersee und die beiden berühmten Schlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein. • Garmisch-Partenkirchen: In einer Kooperation deutscher und österreichischer Schulklassen aus Murnau und Reutte wird eine Wanderkarte mit Erläuterungen der Königsschlösser und Bergresidenzen erstellt sowie eine Wander- und Erlebnisapp programmiert. Das Projekt wird überwiegend aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert. • Stadt Rosenheim: In der Innenstadt wird das Ausstellungszentrum des denkmalgeschützten „Lokschuppen“ saniert, der 1988 durch Umbau des Maschinenhauses der ersten Eisenbahn-Betriebswerkstätte entstand. Dafür gibt es EU-Fördergelder in Höhe von 2,5 Millionen für den Zeitraum 2018 bis 2020. • Holzkirchen: Die Berufliche Oberschule Holzkirchen hat mithilfe des Programmes Erasmus eine Partnerschaft mit der Wirtschaftsfachoberschule Auer (Südtirol, Italien) aufgebaut. Kernstück ist ein jährlicher Schüleraustausch mit der Möglichkeit eines Betriebspraktikums. Ältere Schüler können ihre Arbeiten in Auer vorstellen, auch in italienischer Sprache.
• München: Die Diakonie Hasenbergl erhielt für ihre Jugendwerkstatt „Junge Arbeit“ finanzielle Unterstützung aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Mithilfe des Projektes wurden junge Menschen in schwierigen Situationen sowohl fachlich als auch sozialpädagogisch betreut und bekamen somit die Chance auf eine Berufsausbildung.
Millionen europäischer Fördergelder gehen auch an bayerische Behörden und Ministerien im gesamten Freistaat für die energetische Erneuerung ihrer Gebäude – von der Dachsanierung über Dämmungsmaßnahmen bis zum Austausch von Fenstern und Türen. Ein weiterer Schwerpunkt der EU-Förderung sind Gelder für bayerische Betriebe zur Erschließung von internationalen Absatzmärkten. So wurde die Oberpfälzer Whisky-Destillerie Liebl mit 30 000 Euro gefördert, um Österreich spirituosenmäßig zu erobern. Oder die Nördlinger Stickerei-Firma Hartl. Für eine „Lieferantenrecherche für den Import von Plüschtieren“ aus Vietnam gab es laut Liste 5600 Euro.
Exotisch klingt auch eine Fördermaßnahme in Rieden am Forggensee: Die Firma „Bikersdream“ wird mit 9500 Euro EU-Geldern unterstützt, um einen Importeur für ihre Fahrräder und Zubehörteile zu finden.
Wo? In Taiwan.