600 Wirtshäuser weniger als vor zehn Jahren

von Redaktion

Gästemangel, zu viel Bürokratie und hohe Personalkosten – der Gaststättenverband schlägt Alarm

München – „Wo die Wirtschaft stirbt, stirbt der Ort.“ Düster klingt der Satz, der vor einigen Jahren einer Studie zum Wirtshaussterben vorangestellt war. An seiner Brisanz hat er nichts verloren: Immer wieder werden Gaststubentüren für immer geschlossen. Das ist nicht nur für Dorfgemeinschaften eine Katastrophe. Auch Bayerns Wirtschaft hängt an den Gasthäusern. Wie viele Wirtshäuser in Bayern tatsächlich dichtgemacht haben, ist schwer zu sagen. Genaue Zahlen gibt es nicht. Aufschluss kann aber das Statistische Landesamt geben. Es erstellt jedes Jahr eine Umsatzsteuerstatistik, in der auch die Zahl der steuerpflichtigen Gaststätten stehen. Demnach ist die Anzahl der Wirtshäuser in ganz Bayern mit herkömmlicher Bedienung von 2008 bis 2017, also innerhalb von nur zehn Jahren, um fast 1500 gesunken. Von 16 632 auf 15 145 Restaurants.

Die Statistik unterscheidet nicht zwischen bayerischen, italienischen oder anderen Wirtshäusern. Auch Schankwirtschaften sind in der Statistik nicht enthalten. Trotzdem macht das Unternehmensregister die Dramatik des Wirtshaussterbens deutlich. Der größte Schwund ist in Oberbayern. Hier ist die Zahl der Wirtschaften auf 5465 gefallen, das sind knapp 600 Gaststätten weniger als noch vor zehn Jahren.

„Das Wirtshaussterben hat ein Ausmaß angenommen, das der Politik zu denken geben sollte“, sagt Frank-Ulrich John vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. John spricht von einer „dramatischen Abnahme“ von Gasthäusern in Bayern. Und das, obwohl der Umsatz in der Gastronomie von Jahr zu Jahr zunimmt. Systemgastronomen, Eventcaterer, Cafés, Imbissbuden – sie verdienen jedes Jahr Milliarden Euro in Bayern. „Klassische Wirtshäuser sind die Verlierer“, sagt John.

Gründe fürs Wirtshaussterben gibt es viele: Immer mehr Vereinsheime, die den Wirtschaften die Gäste abziehen, so John, Rauchverbot, ungleiche Besteuerung. Damit sind unterschiedliche Steuersätze gemeint: Gäste, die Leberkäse im Sitzen verspeisen, zahlen 19 Prozent Steuern. Essen sie das Brät in einer Semmel im Stehen, sind es nur sieben Prozent. Auch kleine Speisen, die in Supermärkten verkauft werden, besteuert der Staat mit sieben Prozent. „Das sind unfaire Wettbewerbsbedingungen, Wirtshäuser werden steuerlich benachteiligt“, sagt Frank-Ulrich John.

Viele Wirte verzweifeln auch an der Bürokratie: Arbeitszeitdokumentation, Schutzgesetze, Allergenkennzeichenverordnung. An Fachkräften mangelt es aber nicht, sagt John. 447 000 Erwerbstätige arbeiten hierzulande in dem Gewerbe, 44 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Jeder 17. Bayer arbeitet im Vollerwerb im Gastgewerbe. Auf dem Land ist die Situation aber schwieriger, räumt John ein. Studierende Minijobber und Aushilfen gibt es dort weniger.

Zumindest für Wirtshäuser aus diesen Gegenden gibt es vom Bayerischen Wirtschaftsministerium Hilfe. Das „Gaststätten-Modernisierungsprogramm“ soll Wirten helfen, in die Jahre gekommene Gasthäuser zu modernisieren. Insgesamt stellt das Ministerium 30 Millionen Euro bereit. Die erste Finanzierungsrunde startete Mitte Mai. Bereits wenige Stunden nach dem Aufruf war das komplette Förderkontingent der ersten Runde ausgeschöpft. Ungefähr zehn Millionen Euro. MAX WOCHINGER

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