„Ihre körperlichen Fähigkeiten waren phänomenal“

von Redaktion

Der ehemalige deutsche Teamchef Klaus Hofsäss kennt Steffi Graf von klein auf. Er sagt: Steffi war die Größte

Klaus Hofsäss war viele Jahre Teamchef der deutschen Tennisdamen und Berater von Steffi Graf. Der 70-Jährige kennt Steffi, seit sie zehn Jahre alt war. Wir sprachen mit ihm über eine außergewöhnliche Sportlerin.

Was fällt Ihnen spontan zu Steffi Graf ein?

Natürlich ihre unglaublichen Leistungen, die grandiosen Siege. Aber für mich war auch immer ihre Bodenständigkeit, ihre Bescheidenheit wichtig. Steffi hatte schon von klein auf dieses Gespür für andere Menschen, für die, die nicht so auf der Sonnenseite stehen. Ich kenne sie seit ihrem zehnten Lebensjahr. Das war eine Eigenschaft, die mich immer beeindruckt hat. Die Siege kennen alle. Sie kam auf dem Platz ja oft ein bisschen kühl rüber. Das ist sie privat nicht. Ich habe sie ein paar Mal besucht in Las Vegas. Wenn man sieht, wie sie den Übergang geschafft hat nach der Karriere, was sie für ein tolles Familienleben hat mit Andre und als Mutter mit ihren Kindern. Das ist bemerkenswert.

Die Ehe mit Andre Agassi war ja für Außenstehende eher eine Überraschung …

Die hatten einige Male miteinander trainiert bei den Grand Slams und mochten sich ganz gerne, schon von der Spielweise.

Welche Attribute würden Sie Steffi zuordnen?

Oh, das sind viele. Eine Eigenschaft ist ihre Zähigkeit. Sie hat ja auch bei Verletzungen weitergespielt. Ich erinnere mich an den Federation Cup, als sie mit angerissener Sehne zu Ende gespielt hat, obwohl ich gesagt habe: hör auf. Steffi hatte eine unglaubliche Willenskraft. Sie konnte vor allen Dingen eines: auf vieles verzichten, um ihren Weg zu gehen. Wenn sie mal ein Kilo zu viel hatte, hat sie das schnell wieder korrigiert. Sie hat ja eh nicht viel gewogen (lacht). Diese Disziplin, die war unglaublich.

Steffi Graf war eine Modellathletin …

John McEnroe hat mal gesagt, Steffi sei die beste Athletin, die es je gab. Das trifft schon zu. Martina Navratilova war die kompletteste Athletin damals, die mit Gewichten gearbeitet hat und unglaublich fit war. Und dann kam Steffi Graf, die noch einen draufgesetzt hat. Ihre körperlichen Fähigkeiten waren phänomenal, auch ihre Konzentrationsfähigkeit.

Ist Steffi die größte Sportlerin, die wir je hatten?

Das ist ja immer schwierig. Aber jemand, der den Golden Slam gewonnen hat – alle Grand Slams und Olympia in einer Saison –, das wird nicht mehr erreichbar sein. Deshalb würde ich schon sagen: Ja, Steffi Graf war die Größte.

Sie haben in einem Interview gesagt, Steffi würde heute gegen Serena Williams gewinnen …

Steffi hatte damals eine ganz andere Konkurrenz. Navratilova, die 18 Grand Slams gewonnen hat. Chris Evert, die auch 18 Grand Slams gewonnen hat. Oder Monica Seles, Arantxa Sanchez, Gabriela Sabatini – die Konkurrenz war unglaublich. Wenn Sie jetzt das Finale in Paris gesehen haben, da kann man nicht sagen, dass das wunderbar war. Die kann man alle nicht vergleichen mit Steffi Graf, die sieben Jahre Nummer eins war. Serena Williams ist eine große Sportlerin, aber Steffi hätte sie sicher ein bisschen mehr bewegt.

Mehr links, rechts …

Ja, und der Ball flach, da musst du als Gegner tief runter. Und dann ging Steffi rum mit ihren flinken Beinen auf die Vorhand. Ich habe das ja oft gesehen, wenn sie mit Männern trainiert hat, wie gut sie da gespielt hat.

An welches Erlebnis erinnern Sie sich besonders?

Das erste Wimbledon war natürlich unglaublich. Oder als wir beim Federation Cup bei Lady Di waren. Da kam ein Zeremonienmeister rein und hat uns alles erklärt, wie das funktioniert mit dem Hinsetzen, Teetrinken und dem Aufstehen. Dann musste ich Steffi Lady Di vorstellen – Lady Di hatte aber schon Tennis gespielt mit Steffi, die kannten sich also schon. Aber so war eben das Protokoll (lacht).

Hatten Sie zum 50. Kontakt zu Steffi?

Wir haben am Dienstag telefoniert und ich werde sie auch heute anrufen.

Gibt es eine größere Party?

Ich hab sie gefragt und da hat sie gesagt: gar nix, völlig entspannt. Steffi führt heute ein anderes Leben, abseits vom Tennis. Sie möchte keine großen Auftritte. Der Sohn spielt gut Baseball und ist umworben, die Tochter tanzt auf höherem Niveau. Steffi und Andre spielen nur noch ab und zu Tennis bei Charities.

Interview: Wolfgang Hauskrecht

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