Riemerling – „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Diese Maxime des Philosophen Immanuel Kant ist ein Leitsatz des Bundestagsabgeordneten Jimmy Schulz. Wie er zur FDP kam? Ausschlaggebend für ihn waren mehrere Momente.
Ein hochpolitisches Elternhaus war die erste Voraussetzung: der Vater Professor für Volkswirtschaft an der Bundeswehruniversität Neubiberg, die Mutter Ärztin für Neurologie und Psychotherapie in Ottobrunn. Sie floh kurz vor dem Mauerbau aus der DDR, weil ihr und ihren Geschwistern die Verhaftung drohte. Jimmy Schulz: „Das hat uns geprägt, dass ein Großteil der Familie zurückgelassen werden musste und in einem geteilten Deutschland lebte.“
Es war selbstverständlich, dass die Familie zu Weihnachten Care-Pakete zusammenstellte. Kaffeepackung auf, 50-Mark-Schein rein und wieder zugeklebt. „Das war meine Aufgabe als Zehnjähriger, weil ich das mit meinen kleinen Händen viel besser wieder schön zusammenfummeln konnte.“ Das hat den jungen Schulz geprägt, auch der Wille zur Freiheit und der Wunsch nach Meinungsfreiheit und Demokratie. Jimmy Schulz konnte es nicht ertragen, dass ein Teil der Verwandten hinter Stacheldraht, Minenfeldern und Selbstschuss-Anlagen aufwachsen und leben musste.
Auch nach dem Tod seiner Mutter 1989 ließ ihn die Vergangenheit nicht los: „Sie hat den Fall der Mauer gerade nicht mehr miterlebt.“ Diese Erfahrung hat den Hohenbrunner dazu gebracht, politische Wissenschaften zu studieren. Erst kurz in den USA als Gaststudent und dann in München an der Hochschule für Politik. Aber schon während der Schulzeit am Gymnasium Ottobrunn faszinierten ihn auch Computer und vor allem das Netz. Schon 1988 hantierte er mit Modems und fing an, sich in den Mailbox-Netzen herumzutreiben.
Nach dem Abitur begann er, bei Compuserve zu arbeiten. Das war damals die einzige Möglichkeit für einen Studenten der Geisteswissenschaften, einen professionellen Online-Zugang zu bekommen. „Dort habe ich in der Hotline das große, weite Netz entdeckt, lange bevor es hier für die breite Öffentlichkeit verfügbar war.“
1995 gründete Jimmy Schulz die erste eigene Internetfirma zusammen mit seinem damaligen Kompagnon. „Recht bald habe ich lernen müssen, dass die Politik die neuen Möglichkeiten nicht verstanden hat.“ Politiker, die die digitale Welt nicht verstehen, reagieren seiner Beobachtung nach mit Ignoranz oder auch mit Verboten. Es gipfelte zum ersten Mal Ende der 1990er Jahre in der „Telekommunikations-Überwachungsverordung“. Damals kam sein „Lieblings-Innenminister Otto Schily“ auf diese Idee, alle Internet-Provider mit einer schwarzen Kiste zu beglücken, die den Kunden und den Provider abhören und alle E-Mails mitlesen kann. „Der Gipfel der Frechheit war, dass wir diese Kiste auch selber bezahlen sollten mit 20 000 Mark.“ Im Klartext. Jimmy Schulz musste ein Werkzeug kaufen, das ihn und seine Kunden bespitzelt und ausspioniert und worüber er keine Kontrolle hat.
Als seine Firma 2000 an die Börse ging, erhielt er fast zeitgleich sein Diplom mit einer Arbeit über Kryptografie. Also mit der Frage, wie kann ich mich gegen solche Späh-Attacken schützen? Schulz: „Ich hatte Geld und Zeit und überlegte, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, sich dagegen zu engagieren.“ Politisch, versteht sich.
Welcher Partei er beitreten wollte, überlegte er sehr genau. Als Politologe erstellte er eine Matrix und analysierte, was zu ihm passt. „Natürlich wusste ich, dass ich eine liberale Geisteshaltung habe. Ich wollte mir aber Klarheit verschaffen.“ Drei Kriterien legte er zugrunde: Erstens das Parteiprogramm. Zweitens die Menschen vor Ort, mit denen man klarkommen muss, macht man Politik. Das dritte Kriterium waren die herausragenden Persönlichkeiten.
Das waren für ihn damals Hans-Dietrich Genscher und vor allem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. „Am Ende war ich mir sicher, dass die FDP die richtige Partei ist. Ich bin sehr offen aufgenommen worden und habe unheimlich interessante Menschen kennengelernt, mit denen man Streitgespräche auf höchstem Niveau führen konnte.“ msc
Welche Partei? Eine Matrix entschied