„Die CO2-Steuer könnte sozial unverträglich wirken“

von Redaktion

Ifo-Expertin Karen Pittel plädiert für eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Bereiche Verkehr und Wärme

Um die Klimaziele zu erreichen, soll CO2 teurer werden. Ob mit einer Steuer oder einer Ausweitung des Emissionshandels, darüber wird heftig debattiert. Bislang gibt es den Handel mit Emissionsrechten in der Industrie. Private Bereiche wie Wohnen und Verkehr sind außen vor. Die Politik bestimmt eine bestimmte Menge an Emissionen und vergibt dafür Zertifikate. Bei der Steuer würde der Staat einen Preis für die Tonne CO2 festlegen. Professorin Karen Pittel vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) erklärt die beiden Klimaschutz-Instrumente.

Brauchen wir ein weiteres Instrument, um zentrale Klimaziele zu erreichen?

Fest steht, wir müssen den CO2-Ausstoß reduzieren. Der europäische Emissionshandel deckt nur knapp die Hälfte der Emissionen ab. CO2-intensive Bereiche wie Verkehr und Wärme sind bisher noch nicht inbegriffen.

CO2-Steuer oder Emissionshandel: Was halten Sie für sinnvoller?

Der Emissionshandel hat einen Vorteil: Man kann Klimaziele sehr genau erreichen. Die Politik bestimmt eine Obergrenze für Emissionen, die in einem bestimmten Zeitraum freigesetzt werden dürfen. Für diese Menge gibt es Zertifikate, mit denen gehandelt werden kann. Sind sie vergeben, dürfen keine weiteren Emissionen in die Luft geblasen werden. Das ist eine Garantie für eine Reduktion der Treibhausgase. Bei der CO2-Steuer wird dagegen der Preis festgesetzt. Ob die Menge an Schadstoffen tatsächlich zurückgeht, weiß man vorher nicht.

Wer es sich leisten kann, fliegt trotz Steuer in den Urlaub …

Die CO2-Steuer könnte sozial unverträglich wirken. Sie trifft vielleicht ärmere Haushalte, mit schlecht isolierten Häusern und älteren Autos.

Wie teuer käme den Verbraucher die CO2-Steuer?

Das hängt davon ab, wie hoch die Steuer angesetzt wird. Umweltschützer fordern 180 Euro pro Tonne. Die Deutschen haben vergangenes Jahr durchschnittlich pro Kopf 9,6 Tonnen CO2 emittiert. Das wären dann Steuerkosten in Höhe von circa 1700 Euro. Eine Rolle spielt natürlich auch, ob andere Steuern wie die Energiesteuer dafür abgeschafft werden. Auch wird diskutiert, zusätzliche Steuereinnahmen an die Bürger zurückzuverteilen. Dies würde die Belastung weiter senken. Menschen mit einem geringen CO2-Fußabdruck könnten damit sogar von einer CO2-Steuer profitieren.

Ein erweiterter Emissionshandel würde aber auch jeden Geldbeutel treffen?

Die Belastung für die Haushalte wäre genauso da. Die Unternehmen geben den Preis an ihre Kunden weiter.

Aber die Zertifikatelösung würde eher akzeptiert?

Die Zertifikatelösung wirkt für den einzelnen eher im Hintergrund und weniger offensichtlich als eine CO2-Steuer. Zertifikate könnten damit leichter akzeptiert werden – auch wenn die Belastung am Ende die gleiche wäre.

Beim Emissionshandel liegt der Preis für eine Tonne CO2 derzeit bei circa 25 Euro. Zu wenig?

Auf das festgelegte Ziel, bis 2030 europaweit 43 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen, hat der Preis im Emissionshandel keine Auswirkung. Das wird durch die Mengenregulation der Zertifikate erreicht. Aber um beispielsweise Braunkohle als Energieträger in Deutschland unrentabel zu machen, müssten die Preise bei 35 bis 40 Euro pro Tonne CO2 liegen.

Hat die Umwelt was vom deutschen Kohleausstieg?

Die Befürchtung, die Emissionen würden sich in andere kohleintensive Länder verlagern, höre ich oft. Aber es gäbe die Möglichkeit, die freigewordenen Zertifikate ganz vom Markt zu nehmen.

Kritisiert wird auch, dass es zu viele Zertifikate auf dem Markt gibt.

Das liegt auch am „Banking“: Man kann Zertifikate heute kaufen und erst später einsetzen. Dadurch hat sich ein Überschuss von geschätzt 1,8 Milliarden ungenutzten Zertifikaten aufgebaut. Diese werden nun zurückgehalten und eventuell gelöscht.

Zu viele und zu günstig: Funktioniert das Handelsmodell überhaupt?

Wie gesagt: Die Menge der Emissionen wird sich durch die Mengensteuerung der Zertifikate reduzieren. Aber zugegeben: Die Unternehmen hatten bei niedrigen Preiserwartungen bisher wenig Druck, in klimafreundlichere Technologien zu investieren. Das kann sich rächen, wenn die Preise anziehen und die Anlagen nicht auf dem neuesten Stand sind.

Kann man den Emissionshandel auf Wohnen und Verkehr ausweiten?

Grundsätzlich möglich ist es. Auf EU-Ebene ist eine solche Lösung allerdings eine Herausforderung, die vermutlich eher mittelfristig zustande käme. So viel Zeit zu verlieren, können wir uns im Grunde nicht leisten. Eine nationale Lösung zum Übergang, ob in Form einer CO2-Steuer oder eines Zertifikatehandels, wäre der schnellere und effizientere Weg. Die Chancen, eine CO2-Steuer auf EU-Ebene durchzusetzen, gehen gen null, die EU-Verfassung verlangt hier Einstimmigkeit.

Interview: Aglaja Adam

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