München – Einen klimaneutralen Lebensstil – theoretisch gibt es ihn. Nur noch nicht bei uns. Der Durchschnittsdeutsche verbraucht etwa 9 Tonnen CO2 im Jahr. Rechnet man andere klimaschädliche Treibhausgase dazu, sind es 11,5 Tonnen. Das sind 9,5 Tonnen zu viel, das Klimaziel liegt bei 2 Tonnen pro Kopf. Was also kann man tun im Alltag?
„Schritt eins für den Klimaschutz ist, zu akzeptieren, dass es mit ein bisschen aufpassen nicht getan ist“, sagt Michael Bilharz vom Umweltbundesamt. „Der Großteil der Menschen findet Umweltschutz gut, im Alltag sind aber viele in Strukturen gefangen.“ Das betrifft das eigene Auto, die große Wohnung und das riesige Kaufangebot um uns herum. Um diesen Kreislauf zu brechen, brauche es neue politische Rahmenbedingungen und jeden Einzelnen, der sich mit seinem Verhalten auseinandersetze, sagt Bilharz.
Größe frisst Strom
Über CO2-Onlinerechner, wie ihn das Umweltbundesamt anbietet, kann jeder seine Daten eingeben: Wohnen, Mobilität, Ernährung, Konsum. Das Ergebnis: ein persönlicher CO2-Fußabdruck, der zeigt, wie viel Emissionen sich noch einsparen lassen.
In der Wohnung geht es primär um Strom und Heizung. „Jeder kann zu einem Ökostromanbieter wechseln – eine einmalige Aktion, die nicht zwingend mehr kostet“, sagt Seraja Bock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Manchmal seien Ökostromtarife sogar günstiger. Ein Punkt sei auch, Licht und Geräte auszuschalten, wenn man sie nicht benutze. Auch bei der Heizung gilt: „Nur die Räume heizen, die man benutzt, und nur so viel, wie man braucht.“
„Pro Grad Raumtemperatur kann man bis zu sechs Prozent Heizenergie einsparen“, sagt Jens Gröger vom Öko-Institut. Auch der Dämmstandard eines Hauses trägt dazu bei, wie umweltfreundlich eine Heizung ist. Statt Öl und Gas kann Sonnenenergie für die Wärmeversorgung genutzt werden.
Zu den größten Stromfressern gehören Elektrogeräte. Häufig würden überdimensionierte Kühlschränke gekauft, sagt Gröger. Trotz einer guten Effizienzklasse verbrauchen solche Geräte immer noch viel Energie. „Bei Wasch- und Spülmaschine ist es wichtig, sie voll zu beladen und niedrige Temperaturen zu wählen.“ Eco-Programme laufen länger, benötigen aber nur die Hälfte an Energie.
Nächstes Beispiel: Flachbildfernseher. Die werden immer größer und brauchen mehr Strom. Hinzu kommt: „Wer über einen Streamingdienst fernsieht, verursacht allein im Netzwerk 100 Kilogramm CO2 pro Jahr“, sagt Gröger. Effizienter sei ein Empfang über Antenne oder Satellit.
Alternative Carsharing
Energieeffiziente Lampen sind inzwischen Alltag. Aber: „Weil LED-Lampen so wenig Energie benötigen, wird bei der Beleuchtung nicht mehr gespart“, sagt Gröger. Räume hätten viele Lichtquellen, die seltener ausgeschaltet werden. „Insgesamt führt dies zu einem Mehrverbrauch.“
Der nächste Schritt zum nachhaltigen Leben ist die Mobilität: „Wir beobachten, dass der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen im Verkehr ständig wachsen“, sagt Gröger. Steigende Mobilitätsansprüche, größere Fahrzeuge wie SUVs, die viel Sprit verbrauchen. Auf dem Land sei das Problem größer als in der Stadt. Die Alternative: öffentliche Verkehrsmittel: „Wenn man statt dem Auto den öffentlichen Nahverkehr nutzt oder aufs Fahrrad umsteigt, bewegt man sich mehr – das ist auch gesünder“, sagt Klimaforscher Seraja Bock. In Großstädten gibt es schon viele Carsharing-Anbieter. „Unter 10 000 Kilometer im Jahr ist Car-Sharing günstiger als ein eigenes Auto“, rechnet Bilharz vor.
Bahn statt Flieger
Viel Einsparung bringt der Verzicht aufs Fliegen. „Ein europäischer Flug verursacht ein bis zwei Tonnen CO2, Interkontinentalflüge drei bis fünf Tonnen“, sagt Bilharz. Die Alternative: Bahn fahren oder zumindest die Flugreise kompensieren. Klimaorganisationen wie „Atmosfair“ und „MyClimate“ setzen sich mit der Ausgleichszahlung für den Umweltschutz ein. „Wer 250 Euro zahlt, reduziert elf Tonnen CO2“, sagt der Experte des Umweltbundesamts.
Bleibt die Ernährung: Weniger Fleisch, mehr regionale und saisonale Bio-Produkte sind gut für die Klima-Bilanz. Das, sagt Bock, sollte zur festen Gewohnheit werden. Dabei warnt er, die CO2-Ersparnis nicht ins falsche Verhältnis zu setzen: „Wenn man sich vegetarisch ernährt, aber drei- bis viermal im Jahr fliegt, ist die Einsparung verschwindend gering.“
Um den neuen Lebensstil langfristig zu etablieren, hilft es, Prioritäten zu setzen. Eine Angewohnheit nach der anderen ändern – so wird Klimaschutz nicht als reiner Verzicht wahrgenommen. Gröger: „Wenn ich meine letzte Einkaufsfahrt mit dem Fahrrad erledigt habe, kann ich ruhigen Gewissens die Sahne mit dem elektrischen Rührgerät schlagen.“