Werner Lang ist Leiter des Zentrums für energieeffizientes Planen und Bauen an der Technischen Universität München. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Stadtnatur und Klimaanpassung“ untersuchte der Architekt, wie sich der Klimawandel auf Städte auswirkt und wie die sich anpassen können.
München könnte 2050 ein Klima bekommen wie heute Mailand. Wie haben sich Städte angepasst, in denen solche Bedingungen bereits herrschen?
In Genua liegen zwischen sechs- oder achtgeschossigen Häusern oft nur drei Meter breite Gassen. So verschatten Gebäude gegenseitig ihre Fassaden. In Südspanien nutzt man zusätzlich Sonnensegel zur Verschattung der Freiflächen.
Ließe sich das übertragen?
Bei neuen Vierteln kann man überlegen, dichter zu bauen. Noch wichtiger ist aber eine grüne Infrastruktur. Bäume verschatten Fassaden und Boden. Zudem erzeugen Pflanzen Verdunstungskälte. Mit passenden Grünkonzepten lassen sich stadtklimatische Bedingungen schaffen, die trotz Klimawandel angenehmer wären als heute.
Auf Städte herrscht Zuzugsdruck. Wie kann man nachverdichten und zusätzlich Grün schaffen?
Ähnlich zu Bäumen helfen begrünte Fassaden platzsparend, dass sich Hauswände unter Sonneneinstrahlung weniger aufheizen. Zudem erzeugen auch sie Verdunstungskälte, wodurch es auch drinnen kühler bleibt.
Sind umfangreiche Fassadenbegrünungen ohne Weiteres möglich?
Ohne Weiteres? Nein. Schon wegen Leitungen, Kanälen und Tiefgaragen. Das muss Stadtplanung künftig berücksichtigen. Auch rechtliche Fragen müssen grundsätzlich geklärt werden: Gehören Pflanzen an Hausfronten zum Gebäude oder zum öffentlichen Raum? Wer haftet für Schäden? Übernimmt vielleicht sogar die öffentliche Hand die Pflege?
Können einzelne grüne Fassaden was bewirken?
Die Oberflächentemperatur von begrünten Fassaden ist bis zu zehn Grad niedriger. Zusammen mit Bäumen und Sitzgelegenheiten entstehen Klimainseln, die beispielsweise Senioren den Aufenthalt im Freien ermöglichen.
Was bewirken spektakuläre Projekte wie das „Bosco Verticale“ (senkrechter Wald) in Mailand oder das grüne Hochhaus, das am Arabellapark in München geplant ist?
Sie bieten den Bewohnern Komfort, haben aber auch Signalwirkung und schaffen Bewusstsein. Um Städte grüner zu machen, brauchen wir Gesamtkonzepte. Dazu gehört Mobilität. Vor allem Bäume brauchen Platz, den heute Tiefgaragen und Parkplätze einnehmen.
Muss man Städte wirklich derart umkrempeln wegen ein paar heißer Tage?
Jahrhundertsommer wie 2003, mit 70 000 Hitzetoten in Europa, werden wir voraussichtlich häufiger bekommen. Über Städten verringert eine Glocke aus Feinstaub und Abgasen die nächtliche Abkühlung. Wenn es länger auch nachts über 30 Grad hat, wirkt das auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Das kann eine Gesellschaft nicht einfach so hinnehmen.
Ist es sinnvoll, Grünanteile und grüne Fassaden etwa über die Bauleitplanung vorzuschreiben?
Sinnvoll wäre es, schlüssige Begrünungskonzepte vorzuschreiben, die auch klimatische Aspekte berücksichtigen.
Interview: Stefan Reich