Reinhold Messner ist als Bergsteiger bekannt geworden, und auch wenn er einige Zeit die Herausforderungen in der Horizontalen bei großen Querungen (Wüste Gobi, Antarktis) suchte, „wo man nur hin- und nicht runterfallen kann“: Sein Lebensthema ist die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Berg. „Eine 250-jährige Dekadenzerscheinung“ nennt er den Alpinismus. „Auf Berge zu steigen ist nicht notwendig, aber möglich und legitim. Sogar wenn die Leute riskieren, dabei umzukommen. Von den Spitzenbergsteigern hat es jeden Zweiten getroffen.“ Immer noch ereignen sich Unglücke – obwohl es Alpinismus kaum noch gibt.
Messners Geschichte des Alpinismus geht so:
Alpinismus beginnt als Eroberungsalpinismus. „Es ging hundert Jahre darum, als Erster den Fuß auf einen Berg zu setzen. Zunächst Montblanc und Matterhorn.“ In den 20er- und 30er-Jahren „gab es die Phase des heroischen Alpinismus, die faschistischen Staaten haben ihn gefördert.“
Nächste Stufe: „Im gleichen Jahr, als das Matterhorn bestiegen war, suchten junge Kletterer die schwierigeren Wege nach oben.“ Die Route zählte, der Gipfel war nicht mehr so wichtig.
„Dann kam der Verzichtsalpinismus.“ Vorne dabei: Reinhold Messner. „Die Gipfel haben die Großväter be-stiegen, die schwierigen Wege sind die Väter gegangen. Jetzt versuchen wir es mit immer weniger Material.“ Messner bestieg den Mount Everest (8848 Meter) als erster Mensch ohne Sauerstoff. „Das Material zu steigern hieße, die Ziele zu verkleinern.“
Dies geschah in den letzten Jahren. „Heute ist der Alpinismus keiner mehr. An den großen Bergen wurde aus ihm Tourismus. „Es ist legitim, den Everest zu präparieren, eine Piste mit allen Hilfen zu bauen. Aber es ist kein Alpinismus mehr.“ Er habe bei seinen Vorträgen Firmenchefs kennengelernt, die ohne Bergsteiger-Vorkenntnisse gleich auf den höchsten Berg der Welt wollen. Kleiner geht’s nicht, „denn die Sekretärin war schon oben“. Die Akklimatisierung könne man zuhause einleiten, indem man „über Wochen und Monate in der Unterdruckkammer schläft“.
Das Klettern in der Halle nennt Messner „einen großartigen Sport. Aber es ist kein Alpinismus. Der hat mit Exposition und Eigenverantwortung zu tun. In der Halle gibt es einen Betreiber, der verantwortlich ist, wenn man runterfällt. Wenn einer in der Eiger Nordwand abstürzt, ist er selbst verantwortlich.“ gük