Auf der Fährte des „Vorbild-Bären“

von Redaktion

Ein großer Beutegreifer hat erstmals wieder die Region erreicht – wir klären wichtige Fragen

VON STEFAN SESSLER UND WOLFGANG HAUSKRECHT

Linderhof – Naturschützer vom Landesbund für Vogelschutz haben gleich mal eine Lanze für Bayerns neuen Bären gebrochen. Das Tier, hieß es euphorisch, sei ein „Vorbild-Bär“. Worte sind wichtig. Wenn man erst einmal zum Problembären abgestempelt wird, ist der Abschuss meist schon beschlossene Sache. Aber so weit sind wir beim ersten Braunbären auf deutschem Boden seit Bruno anno 2006 noch lange nicht. Keiner weiß, wie die tierische Reise in die österreichisch-bayerische Grenzregion endet. Hier lesen Sie alles, was Sie zum neuen, noch namenlosen Bären wissen müssen.

Welche neuen Erkenntnisse gibt es zum Bären?

Experten suchen gerade DNA-Spuren des Bären, der in der Nacht auf Mittwoch bei Schloss Linderhof in eine Fotofalle getappt ist. „Es geht darum, genetisches Material etwa aus Kot oder Fellresten zu finden, um die Herkunft und auch das Geschlecht des Tieres zu bestimmen“, sagte eine Sprecherin des bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU). Vermutet wird inzwischen, dass es sich um einen männlichen Bären handelt, der wie Bruno aus dem italienischen Trentino über Tirol nach Bayern kam.

Was sagen Almbauern und Jäger?

Der Vorsitzende der Garmisch-Partenkirchner Jäger heißt Thomas Bär, kein Scherz. Und er rät zu Gelassenheit. „Wenn der Bär scheu ist und die Menschen meidet, dann darf er hier auch sein, dann darf er sich hier das eine oder andere Reh schmecken lassen.“ Problematisch wird es aus seiner Sicht erst, wenn der Bär in großem Stil Nutztiere schlägt. „Aber das ist gar nicht zu erwarten.“ Hans Stöckl ist Geschäftsführer des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern. Er sagt: „Natürlich sind die Almbauern in Sorge. Aber solange er sich zurückhaltend verhält und Schafe und andere Weidetiere in Ruhe lässt, ist es kein Problem.“ Trotzdem kann er gut auf den neuen Gast verzichten. „Man hofft, dass er sich wieder vom Acker macht.“

Wann wird ein Bär in Bayern abgeschossen?

Das ist im Freistaat inzwischen genau geregelt. Es gibt eine Check-Liste, wann zum Äußersten gegriffen wird. Im „Managementplan Braunbären in Bayern“ des Umweltministeriums sind Verhaltensweisen von Bären aufgelistet, die verschiedene Eskalationsstufen auslösen. Ein Bär, der abseits von Menschen Schäden macht, gilt als ungefährlich. Ein Bär, der Futter am Rand von geschlossenen Siedlungsgebieten sucht, muss intensiv beobachtet und im Wiederholungsfall vergrämt werden. Kritisch wird es erst, wenn ein Bär in bewohnte Gebäude eindringt. Oder er Menschen in Sichtweite folgt, um sie als Beute auszutesten. Oder er einen Menschen getötet oder schwer verletzt hat. Dann steht in der Gefahrentabelle jeweils ein großes E. E wie Entfernen.

Wo gibt es in Europa überhaupt noch Bären?

Die größten Bärenpopulationen findet man in Skandinavien mit etwa 3400 Tieren, in den Karpaten (7200), in Karelien (1700) und im Dinarischen Gebirge (3070). Kleinere Populationen gibt es in Kantabrien, den Pyrenäen, den Alpen, im Ost-Balkan und im Baltikum. „Die uns nächsten Bären leben in den italienischen Alpen, im Trentino“, sagt Agrarbiologin Stefanie Morbach, Bärenexpertin bei der Gregor Louisoder Umweltstiftung in München.

Wie weit können Bären wandern?

Im Gegensatz zu Luchs und Wolf wandern Bären gerne. „Sie sind nicht so territorial“, sagt Morbach. Gerade junge Männchen wandern. Finden sie ein passendes Gebiet, bleiben sie dort. Die Streifgebiete von Bären sind, je nach Nahrungsangebot, 100 bis 1000 Quadratkilometer groß. 20 bis 30 Kilometer zurückzulegen, tags oder nachts, ist für die Tiere kein Problem.

Gibt es in Bayern genug Lebensraum für Bären?

„Grundsätzlich wäre der bayerische Alpenraum geeignet“, sagt Morbach. Wenn es hier völlig ungeeignet wäre, wäre der jetzige Bär nicht über eine längere Zeit hier.

Was braucht der Bär: Nahrung, Rückzugsraum für den Winter und die Jungenaufzucht. Außerdem wird er sich früher oder später auf Partnersuche begeben. Wenn er nicht fündig wird, ist das Gebiet aus seiner Sicht wohl ungeeignet.

Wie verhalten sich Bären normalerweise gegenüber Menschen?

„Im Regelfall wird ein wilder Bär dem Menschen ausweichen“, sagt Morbach. „Dennoch sind es Wildtiere, die an der Spitze der Nahrungskette, wie wir auch, stehen. Er muss nicht panisch vor uns fliehen.“ Sollte er sichtbar sein, so Morbach, heiße das also noch nicht, dass er sich anormal verhält. „Gefährlich werden alle Wildtiere immer dann, wenn sie sich bedroht fühlen und nicht ausweichen können. Gefährlich ist es auch, wenn Menschen bewusst die Nähe suchen oder gar versuchen, die Tiere zu füttern.“ Aus Rumänien gibt es immer wieder Berichte über Angriffe auf Menschen.

Was essen Bären?

„Braunbären ernähren sich überwiegend pflanzlich“, sagt Morbach. Auch Würmer und Larven gehören zum Nahrungsspektrum. Der Bär könne aber auch Wildtiere oder Nutztiere reißen. So griff ein Bär 2017 in den Pyrenäen eine Schafherde an. In Panik stürzten 209 Tiere in eine Schlucht.

Wie verhält man sich richtig, wenn man einen Bären trifft?

Laut Stefanie Morbach gilt das Gleiche wie bei jedem Wildtier: respektvollen Abstand halten. „Den Bären nicht überraschen oder erschrecken, auf sich aufmerksam machen und sich ruhig zurückziehen.“

Werden Bären in Europa bejagt?

Teilweise. In Schweden zum Beispiel werden nach Angaben des World Wide Fund For Nature (WWF) pro Jahr 200 bis 300 Bären geschossen.

Wie groß können Braunbären werden?

Je nach Vorkommen, Geschlecht und Alter haben Braunbären in etwa ein Stockmaß von einem Meter und eine Länge von zwei bis 2,50 Meter. Die Gewichtsspanne ist groß, etwa bis 150 Kilo bei Weibchen und 300 Kilo bei den Männchen

Wie lange dauert der Winterschlaf?

Die Winterruhe ist etwa von November bis April. „Das kommt auf die Temperaturen und die Schneelage des Winters an“, sagt Morbach.

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