München – „Der normal sich verhaltende Bär“, so dozierte der Ministerpräsident, „lebt im Wald, geht niemals raus“. Es gebe dann aber „einen Unterschied zwischen dem normal sich verhaltenden Bären, dem Schadbär und dem Problembär“. Edmund Stoibers Tierkunde von Ende Mai 2006 zählt zu den unterhaltsamsten Ansprachen, die je ein Landespolitiker hervorbrachte. „Ja, das ist jetzt gar net zum Lachen“, brummte er noch in seiner Rede, aber da war es schon zu spät. Ganz Deutschland prustet seither los, wenn das Wort „Problembär“ fällt oder die von vielen „Ähs“ durchzogenen Sätze im Radio wiederholt werden.
Dabei hat Stoiber den „Problembären“ mitnichten erfunden, den Begriff kannten schon Österreich, die Schweiz und die USA (hier sogar den „nuisance bear“, den lästigen Bär ohne Menschenscheu). Und überhaupt hat das Drama um Bruno gar nicht nur so lustige Züge, wie man im Nachhinein denkt. Es ist eher ein Beispiel dafür, wie die Politik von der Realität überrannt wird und am Ende der Watschenmann für alles ist.
Im Mittelpunkt stand 2006 zunächst Stoibers Umweltminister Werner Schnappauf (CSU), ein leutseliger, bisweilen ungeschickter Mann. Sein Ministerium beging den ersten Stockfehler, den braunen Brummer Bruno freudig in Bayern willkommen zu heißen. Als das Tier Schafe und in der Nähe von Häusern Hühner riss, drehte sich die Stimmung. Schnappauf erteilte die Abschussgenehmigung. Von Tierschützern wurde er massiv kritisiert. Unbekannte bedrohten ihn und seine Kinder. Man werde ihn „waidgerecht erlegen“, lautete eine der Morddrohungen. Der Minister erhielt Personenschutz, lebte gleichzeitig in der Angst, Bruno könne Menschen verletzen oder töten. Nachts sei er bei jedem Summen des Handys „schweißgebadet aufgewacht und dachte, jetzt ist es passiert“, erzählte er später mal.
Von Schnappauf blieb der (nicht ganz gerechtfertigte) Eindruck eines Pannenministers, auch nach bärenfernem Hickhack um Vogelgrippe, Rauchverbot und Fleischskandale. 2007 verließ er die Landespolitik hastig. „Der und seine Gammelbären“, soll Ministerkollege Markus Söder damals gestöhnt haben. Söder wurde dann übrigens neuer Umweltminister, und lange Zeit traute sich kein Bär mehr über die Grenze. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER