München – Die Sache mit dem Mehlsack ist jetzt zwei Jahrzehnte her, und manche halten das noch immer für wahr. Damals fluchte ein Grünen-Kommunalpolitiker über die CSU-Dominanz, man könne in Bayern einen „Mehlsack schwarz anmalen“, und die Leute würden ihn wählen. Viele Zeitungen in ganz Deutschland griffen das auf, viele Außerbayern vermuten seither in jedem weißblau beflaggten Behördenbau einen CSU-Bürgermeister. Wenn sie dann in den Freistaat ziehen, ist das Erstaunen groß.
Tatsächlich ist Bayern auf kommunaler Ebene bunt geworden. Bei der Kommunalwahl am 15. März steht die immerwährende Staatsregierungspartei CSU lokal stärker unter Druck denn je. Die Großstädte, die früher schon in hohem Maß von SPD-Oberbürgermeistern dominiert wurden, sind jetzt ein Kraftzentrum der Grünen. Gleichzeitig wackeln aber auch Regionen, gerade im weiteren Umfeld von München.
Ein einheitliches, flächendeckendes Bild gibt es naturgemäß nicht, die Kommunalwahl hängt stark an Persönlichkeiten, die Mehlsack-Regel trägt längst schon nicht mehr. Besonders umkämpft sind aber zweifellos die Städte. Die Grünen wollen erstmals mindestens einen Oberbürgermeister stellen. In Landshut, wo bisher die FDP mit Alexander Putz das Rathaus leitet, Würzburg (hier regiert Christian Schuchardt mit CDU-Parteibuch) oder München rechnen sie sich dafür die besten Chancen aus. Das Rennen in der Landeshauptstadt gilt als offen. Gegen den Amtsbonus von Dieter Reiter (SPD) rennen zwei jüngere Frauen an: Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU). Die Stadt ist strukturell nicht konservativ. Bei der Landtagswahl holten die Grünen fünf der neun Stimmkreise direkt, eine Fortschreibung der Prognosen ergäbe derzeit sogar einen Vorsprung in acht Stimmkreisen. Leicht auf die Kommunalwahl umzurechnen ist das aber nicht: Seit der Wahl 2014 ist rund die Hälfte der Wähler neu in der Stadt oder erstmals wahlberechtigt. Finden sie Reiter in Ordnung? Oder sind sie sauer wegen horrender Mieten und überfülltem Nahverkehr?
Neu werden die Karten im bisher roten Nürnberg gemischt. Ulrich Maly, ein überregional bekannter SPD-Charismatiker, hört auf. Die CSU hofft in der Söder-Heimat mit ihrem Kandidaten Marcus König auf einen Erfolg. Diffus ist die Lage in Regensburg nach der Parteispendenaffäre. Augsburg könnte mit der neuen Kandidatin Eva Weber an die CSU gehen.
Spannend werden auch die Landratswahlen. Auch da ist Bayern bunt, seit 2014 stellen die Freien Wähler ein Dutzend Landräte. Besonders auffällig: Miesbach, wo der Grüne Wolfgang Rzehak regiert, seit CSU-Mann Jakob Kreidl in einem Affärensumpf versank. Ein Grüner im Bilderbuch-Oberbayern, am Tegernsee und in Kreuth – das schmerzt die CSU. Sie schickt nun Bürgermeister Olaf von Löwis (Holzkirchen) ins Rennen. Parteichef Söder selbst lässt derzeit keinen Termin im Landkreis aus. Ist da was zu holen? Als schwer zu holen für die Schwarzen gilt indes Miltenberg, wo ein von mehreren Parteien unterstützter Grüner regiert.
Schätzungen des Wählerpotenzials lassen auch Starnberg wackelig zwischen Schwarz und Grün erscheinen. Auch im „schwarzen“ Kreis Freising ist – Stichwort Startbahn-Debatte – die Lage für die CSU sehr angespannt. In Erding tun sich sogar SPD, Grüne und Freie Wähler zusammen, um CSU-Landrat Martin Bayerstorfer zu stürzen, Aussicht aber ungewiss. Oberbayerns Südosten (Rosenheim, Traunstein, Berchtesgaden) gilt auf Landkreisebene als eher stabil für die CSU.
In Niederbayern könnten erneut mehrere Landratsämter an die Freien Wähler gehen, dort lebt ja auch ihr bekannter Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger. Das Risiko, einzelne Posten an die AfD zu verlieren, wird auch hinter vorgehaltener Hand als gering eingeschätzt.
C. DEUTSCHLÄNDER/S. HORSCH