Die Ursachen sind vielfältig. Generell gilt: „Der Kostendruck in Staat und Gesellschaft zielt darauf ab, dass lebenswichtige Medikamente möglichst billig sein sollen“, sagt Dr. Hans-Peter Hubmann, 1. Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes. Die Wirkstoffproduktion für den Weltmarkt finde aus Kostengründen oft in wenigen Betrieben in Fernost statt. Ein Beispiel: die Antibiotika-Herstellung in China und Indien. „Steht die Produktion zeitweilig still oder wird eine Charge aus Qualitätsgründen nicht freigegeben, können auch große Hersteller in Europa ihre Fertigarzneimittel nicht liefern“, erklärt Hubmann.
Politik, Industrie und Kostenträger, also Krankenkassen. Letztere sparen etwa Ausgaben, indem sie Rabattverträge vergeben – in einem Rabattvertrag gibt der Hersteller einer Krankenkasse einen Rabatt für ein Medikament oder auch ein ganzes Sortiment. Im Gegenzug sichert die Krankenkasse zu, dass alle ihre Versicherten künftig nur dieses Präparat erhalten. Das verschärft den Kostendruck und das Ausfallrisiko.
Aktuell listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mehr als 260 Arzneimittel mit Lieferschwierigkeiten auf; Impfstoffe sind hier noch nicht berücksichtigt. Laut einer aktuellen Berechnung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) waren allein im ersten Halbjahr 2019 schon 7,2 Millionen Medikamente nicht verfügbar. Im Gesamtjahr 2018 waren es 9,3 Millionen Packungen; im Jahr 2017 waren es dagegen nur 4,7 Millionen Medikamente. Also ein immenser Anstieg.
Eine pauschale Antwort gibt es darauf nicht. Der Bayerische Apothekerverband fordert etwa: „Krankenkassen sollten aus unserer Sicht Rabattverträge für Arzneimittel mit mindestens drei unterschiedlichen Herstellern abschließen müssen. So wäre es leichter möglich, bei einem Lieferengpass auf Präparate anderer Firmen auszuweichen.“
Bei einer Dauermedikation sollten Patienten nicht erst warten, bis die letzte Tablette aufgebraucht ist, sondern sich frühzeitig ein neues Rezept vom Arzt ausstellen lassen und es in der Apotheke auch umgehend einlösen, rät der Bayerische Apothekerverband: „Bei einem möglichen Lieferengpass hat die Apotheke dann mehr Zeit, um Lösungen zu finden.“ Das gilt insbesondere für Patienten, denen der Arzt ein Medikament eines bestimmten Herstellers verordnet hat („Aut-idem“). Für ein Alternativpräparat muss sich der Patient dann ein neues Rezept ausstellen lassen. Zudem dürfen Ärzte keine Mengen verordnen, die über ein Quartal hinausreichen, heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). ae