München – Es ist der 42. Luftangriff auf München – bis April 1945 werden die Chronisten insgesamt 73 Angriffe zählen. Mit offiziell 562 Toten ist der Angriff am Abend des dritten Advent einer der schwersten auf die Stadt – gleichzeitig ist er der Auftakt für weitere verheerende Angriffe. Denn zwei Drittel der Weltkriegsbomben fallen in der Zeit zwischen Ende 1944 und dem Ende des Luftkriegs im April 1945.
In der Stadtchronik werden die Ereignisse wie folgt beschrieben: „In den späten Abendstunden ist München erneut das Ziel eines Terrorangriffs. Um 20 Uhr 30 beginnt der Alarm und erst um 22 Uhr 30 wird Entwarnung gegeben.“ Beim nächtlichen Angriff der britischen Royal Air Force (RAF) verlieren 562 Menschen ihr Leben. Von den 280 angreifenden Maschinen vom Typ Lancaster, die von acht Mosquito-Aufklärungsjets begleitet werden, verliert die RAF vier Bomber – ein Zeichen dafür, dass die deutsche Luftabwehr quasi nicht mehr existent war.
Trotzdem nehmen die Piloten einen langen Umweg in Kauf, um möglichst spät in den Luftraum über Deutschland einzudringen. Um 16.20 Uhr Ortszeit heben die Maschinen vom ostenglischen Flugplatz Fulbeck ab, bis unters Dach beladen mit Bomben und Kraftstoff für den langen Flug, den sie quasi komplett im Dunkeln absolvieren. Sie überqueren zunächst den Kanal, dann Frankreich und das Jura-Gebirge. Erst als sie Bozen erreicht haben, setzen sie Kurs auf München. Nach Überquerung der Alpen suchen die Piloten fieberhaft nach „einem bananenförmigen See“. Es handelt sich um den Starnberger See, der den britischen Formationen als Orientierungspunkt für ihren Flug nach München dient.
Zuerst erreichen die Mosquitos am 17. Dezember 1944 den Luftraum über der Stadt. Die wendigen Flugzeuge markieren die Angriffsziele mit Leuchtbomben. Wenig später kommen die Lancaster-Bomber nach. Deren Navigation hat zu dieser Zeit längst der Bombenabwerfer übernommen. Er liegt bäuchlings auf dem Boden des Flugzeugs, hält Ausschau nach den Markierungen und dirigiert den Piloten mit klaren Kommandos. Der Rest der Besatzung schweigt – es ist eine angespannte Stille, denn die Bomber haben nur eine Gelegenheit, ihre tödlich Ladung über den markierten Zielen in der Stadt abzuwerfen.
Im Fadenkreuz des Angriffs liegt dabei hauptsächlich die Stadtmitte. „Kulturdenkmäler, Schulen, Kirchen werden getroffen“, vermeldet die Stadtchronik. Unter den Zielen befinden sich demnach das neue Rathaus, die Oberpostdirektion, der Löwenbräukeller, das Armeemuseum, die Peterskirche, die Asamkirche, die Technische Hochschule, das alte Feuerhaus am Jakobsplatz, die Jakobskirche, die beiden Pinakotheken, die Glyptothek, der Führerbau, der Justizpalast und das Verkehrsministerium. Außerdem werden das Krankenhaus links der Isar und die Krankenhäuser in der Thalkirchner Straße schwer getroffen, ebenso wie das Arbeitsamt, die Ortskrankenkasse, der Schlachthof und zahlreiche Kasernen. „Das Alte Rathaus mit Standesamt ist total zerstört, auch die Simon-Knoll-Schule, in der zahlreiche Menschen den Tod fanden“, heißt es in der Stadtchronik weiter.
München liegt nach diesen Attacken zu großen Teilen in Schutt und Asche – dabei hatte man sich bis ins Jahr 1942 noch in der trügerischen Sicherheit gewähnt, im „Luftschutzkeller des Reiches“ zu leben. Doch die Stadt wurde zu einem zentralen Ziel der britischen Flächenbombardements – der „Bomber’s Baedecker“, die detaillierte Zielliste der Bomberbesatzungen, beschreibt München als industrielles Zentrum, als ideologisch bedeutsam und als „Hauptstadt der Bewegung“.
Endgültig zerstört wird an diesem Abend der Kronebau. Bis 1943 war der Zirkus im Sommer noch auf Tour und hatte seine Winterprogramme im Münchner Domizil gezeigt – fast jede Vorstellung im Kronebau wurde durch Fliegeralarm unterbrochen. Am 17. Dezember 1944 trafen die Bomben den Zirkusbau mit voller Wucht. Glück im Unglück: Mensch und Tier waren im Sommer 1944 nach Weßling evakuiert worden und überstanden die Zeit bis zum Kriegsende unversehrt.
Für die Münchner war die Attacke längst nicht das Ende des Luftkriegs über der Stadt. Bereits am 7. und 8. Januar 1945 holte die RAF zu einem Doppelschlag aus – insgesamt 597 Bomber suchten München heim, 505 Menschen starben. Noch im April 1945 gehörten Fliegeralarme zum Alltag. Bei den Bombenangriffen auf München starben mehr als 6400 Menschen, drei Viertel aller Gebäude in der Altstadt wurden zerstört, 300 000 Menschen wurden obdachlos.