von Redaktion

VON CINDY BODEN

Pressig – Im Naturerlebnisbad von Pressig präsentiert Bürgermeister Hans Pietz (Freie Wähler, 61) stolz die leicht zugefrorenen Schwimmbereiche mit Holzsteg und den Sprungturm aus Felsbrocken. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie dringend die Bewohner ihren Ort attraktiv halten wollen – und müssen. Durch ehrenamtliche Arbeit haben Helfer das sanierungsbedürftige Freibad in eine Besonderheit verwandelt. Die Gemeinde hätte dies allein nie geschafft, denn sie ist mit rund sechs Millionen Euro verschuldet. Pietz weiß: Wenn sein Ort nichts bietet, schrumpft dieser weiter.

Daher ist sein Plan: Jeder muss das Gefühl bekommen, sie und er sind Teil der Gemeinschaft. „Es ist ein permanenter Prozess, den Leuten zu sagen, dass es sich lohnt, hierzubleiben – und wiederzukommen.“

Kronach ist der Landkreis in Bayern, aus dem die meisten Menschen wegziehen. Zahlen des Bayerischen Landesamts für Statistik sagen für das Jahr 2038 voraus, dass die Bevölkerung in der Region um 11,8 Prozent sinken wird. In Pressig leben aktuell rund 3900 Einwohner. In den 1970er Jahren waren es noch über 5000.

Pressig ruht am Fuße des Frankenwalds. Gemeinden, die weiter nördlich liegen, sind noch stärker vom Wegzug betroffen. Alles rosig ist in Pressig aber nicht.

Der Bürgermeister versteht es als eine Art Lebensaufgabe, sich um die Jugend zu kümmern. Früher betreute er die Mädchen und Buben in Vereinen, jetzt versucht er, sie im Ort zu halten.

Beim Streifen durch die Gemeinde ist ein kleines Floristikgeschäft kaum zu übersehen. Im Schaufenster ranken Blumen künstlerisch um Töpfe und Kränze. Inhaberin Ute Juliano ist nicht die Einzige, die findet, dass Angebote für unter 18-Jährige fehlen. Sie vermisst eine Wirtschaft, in der auch die jungen Leute reden und lachen können. Denn wenn die Möglichkeiten rar sind, zieht es sie in die Städte, zu Kinos und Geschäften. Immerhin einen Club hat Pressig seit Kurzem zu bieten.

Trotzdem steigt die Überalterung. Aktuell sterben mehr Menschen in der Marktgemeinde, als dort geboren werden.

Julianos eigene Kinder schnappten selbst eine Weile lang Großstadtluft. Doch der Schützenverein zog sie zurück, denn die rund 80 aktiven Vereine von Pressig beziehen den Nachwuchs frühzeitig mit ein. Das prägt, egal ob im Rasenmähertruckverein, im Schnupferverein oder im Kapellenverschönerungsverein.

Entscheidend auch für die Rückkehr: der niedrige Grundstückspreis. Die Ortsteile des Markts Pressig liegen weit vom teuren Süden entfernt. Laut Bürgermeister wird ein Einfamilienhaus mit 120 Quadratmetern plus Grundstücksfläche aus den 1990er Jahren in gutem Zustand für 85 000 Euro verkauft. Leer stehende Wohnhäuser hat Pressig daher zurzeit wenige. Lediglich im Ortsteil Förtschendorf sind ein paar Gebäude mit runtergelassenen Jalousien und verrammelten Eingangstüren zu finden. Denn drum herum verlaufen die Bundesstraße 85 und die Bahnstrecke – die Lautstärke schreckt ab.

Bei den Gewerbeimmobilien ist die Situation schlechter: Einige Flächen stehen leer, dort prangen rot-weiße Schilder mit der Aufschrift „Geschäftsräume zu vermieten!“, zum Beispiel am Fenster einer ehemaligen Schlecker-Filiale. „Es wäre schön, wenn wir diese Flächen beleben könnten“, sagt Bürgermeister Pietz, doch dies gestalte sich schwierig.

Ein Keramikhersteller, ein Autohaus oder eine Firma für Baustoffe zählen zu den größten Betrieben in Pressig. Die Firma Max Frank entwickelt Produkte für den Betonbau. Sie hat ein entscheidendes Problem: „Wir suchen Bauingenieure“, sagt Werksleiter Maik Bochröder und beschreibt damit den akuten Handwerkermangel. Für die Ausbildung gingen viele weg, in die größeren Studienorte. Sie zurückzugewinnen bleibt die Herausforderung.

Im größten Ortsteil, der selbst Pressig heißt, freuen sich die Anwohner über einen kleinen Dorfladen mit Fleischtheke sowie ein bisschen Obst und Gemüse. Doch das Geschäft stand schon einmal kurz vor dem Aus, als der Inhaber woanders etwas Neues eröffnete. Die Mitarbeiterinnen hingen dran und übernahmen.

Bewohner der umliegenden Gemeindeteile brauchen für den Einkauf bei Rewe oder Norma ein Auto, um die Felder zwischen den Orten zu überwinden. In die umliegenden Städte wie Coburg oder Kronach fahren zwar Busse und Bahn, aber alles ist weitläufig, daher weniger beliebt.

In Zukunft wird der Nachwuchsmangel die Gemeinde weiter beschäftigen, sei es bei Ärzten, Metzgern oder Bäckereien. Denn auf regionale Produkte wollen die Bewohner nicht verzichten. Einer wirbt daher mit vollem Einsatz für das Leben auf dem Land: Stefan Heinlein, 38. Er ist Geschäftsleiter der Gemeinde und liebt die Arbeit mit Kindern vor Ort. Sein Leben hier will er niemals gegen Hektik und Lärm eintauschen: „Wir haben hier so viele Kostbarkeiten, die man gar nicht mehr so oft sieht.“

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