„Da ist richtig viel schiefgelaufen“

von Redaktion

INTERVIEW Vatikan-Experte Pater Hagenkord über die Entbindung von Erzbischof Gänswein als Protokollchef

Pater Hagenkord, hat Sie diese Entscheidung überrascht?

Eigentlich nicht. Es hat sich ja schon in der Vergangenheit gezeigt, dass die verschiedenen Rollen, die Erzbischof Gänswein innehat innerhalb des Vatikan, manchmal schwer zu vereinbaren sind. Deshalb ist es jetzt auch konsequent, sie zu trennen.

Geht es nicht auch darum, wie sich Gänswein gegen neue Wege in der Kirche positioniert hat? Zu welchem Lager gehört Gänswein?

Nach meiner Erfahrung nach zehn Jahren im Vatikan gibt es viele von den Lagern, die wir hier in Deutschland wahrnehmen, in der Realität gar nicht. Es ist viel komplexer. Ich denke eher, dass er für einen Papst voll und ganz da sein muss. Und gleichzeitig einen emeritierten Papst umsorgt. Und das finde ich schwierig. Die Tatsache, dass wir „zwei Päpste“ haben, einen emeritierten und einen amtierenden – das sind Formulierungen von Gänswein selber – finde ich auch eher unglücklich. Denn es gibt nur einen Papst. Dass man auf zwei Hochzeiten tanzt, fand ich strukturell immer sehr schwierig.

Es ist von einer Umverteilung der Aufgaben die Rede. Ist das nicht ein regelrechter Rauswurf?

Das weiß ich nicht. Es bedeutet für Erzbischof Gänswein auf jeden Fall weniger Sichtbarkeit. Er stand jeden Mittwoch bei der Audienz neben dem Papst. Jedes Mal, wenn ein Staatsgast kam, war er dabei. Das ist er nun nicht mehr. Er ist freigestellt oder beurlaubt. Ob das ein Rauswurf ist, weiß ich nicht.

Ist diese Entscheidung eine Art Befreiungsschlag von Franziskus?

Das glaube ich nicht. Es ist eine Konsequenz aus einigen Dingen, die in der Vergangenheit schiefgelaufen sind. Da ist die Nichtabsprache um die Veröffentlichung des Buches von Kardinal Sarah, wo es erst hieß, es sei von Sarah und Ratzinger geschrieben. Dann wurde noch der Papstname Benedikt verwendet und nicht „emeritus“ – also, da ist einiges richtig schief gelaufen. Davor gab es im April vergangenen Jahres das Schreiben des emeritierten Papstes zum Missbrauch, in dem er die Ursachen den 68ern zugeschoben hat – und wo Papst Franziskus ganz andere Analysen anstellt. Jetzt hat Franziskus Konsequenzen gezogen, um manche Linien ganz klar zu ziehen.

Was passiert jetzt mit Gänswein?

Er kümmert sich wirklich hingebungsvoll um den emeritierten Papst. Was er sonst macht, weiß ich nicht.

Ist diese Personalie ein Signal an alle diejenigen, die keine Reformen in der Kirche wollen?

Wenn ich aus meiner Zeit im Vatikan einen Schluss ziehen kann, dann den, dass Franziskus kein Taktiker ist. Er entscheidet nach Situationen. Es war eine allein Erzbischof Gänswein betreffende Entscheidung, keine grundlegende politische Positionierung. So tickt dieser Papst nicht.

Das Interview führte Claudia Möllers

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