Dresden verstärkte die Kriegsmüdigkeit

von Redaktion

Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller über die Angriffe der Alliierten im Februar 1945

Dresden – Die Stadt an der Elbe gedenkt in diesen Tagen der Bombardierung vor 75 Jahren, als die Stadt vom 13. bis 15. Februar 1945 durch alliierte Luftangriffe zerstört wurde. Die Zahl der bei den Luftangriffen Getöteten war viele Jahrzehnte Gegenstand öffentlicher Debatten. Die Angaben reichten – propagandistisch gefärbt – bis zu 500 000. Die Stadt beauftragte deshalb eine Historikerkommission. Historiker Rolf-Dieter Müller war Mitglied der Kommission, die 2010 folgende Ergebnisse veröffentlichte: Menschen aus fast 20 Nationen kamen bei den Bombenangriffen ums Leben. Unter den Opfern waren neben vielen Tausend Dresdnern auch Flüchtlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Insgesamt wurden bei den drei Angriffswellen britischer und amerikanischer Bomber bis zu 25 000 Menschen getötet.

Herr Müller, warum wählten die Alliierten Dresden als Ziel aus?

Dresden war eine der großen Städte des Deutschen Reiches und stand schon früh auf der Zielliste der Alliierten. Nach Auffassung von Marschall Arthur Harris, dem Chef des britischen Bomberkommandos, hatte man anders als im Ersten Weltkrieg mit der Bomberflotte nun die Waffe, das Potenzial des Gegners zu zerstören – und das ohne verlustreichen Stellungskrieg. Große Städte und Rüstungszentren waren dann die bevorzugten Ziele. Dass Dresden so spät im Verlauf des Krieges angegriffen wurde, hing auch damit zusammen, dass die Begleitjäger der Bomberflotte anfangs nicht die Möglichkeit hatten, so weit nach Osten zu fliegen. Das veränderte sich erst 1944.

Welche strategische Bedeutung hatte die Stadt?

Ende 1944 rückte Dresden auf der Zielliste nach vorn. Stalin war im Zuge seiner Offensive von der Weichsel an die Oder ins Deutsche Reich vorgedrungen. Die Rote Armee erwartete von den übrigen Alliierten Unterstützung. Die westlichen Alliierten, die mit ihren Truppen wegen der Ardennenoffensive der Deutschen am Rhein festsaßen, entschieden sich deshalb, mit ihrer Luftflotte im Osten anzugreifen. Dresden war als letzte intakte Großstadt ein Bollwerk an der deutschen Ostfront. Die Alliierten hielten die Bombardierung für ein wirksames Mittel, der Roten Armee zu helfen.

Der Begriff „Terrorkrieg gegen Zivilisten“ steht immer wieder im Raum. War es die Absicht der Alliierten, durch möglichst viele Opfer die Kriegsmoral der Deutschen zu brechen?

Harris war ein Verfechter des „moral bombings“, eines Bombenkriegs gegen die Zivilbevölkerung, um ihre Kriegsmoral zu brechen. Die Revolution vom November 1918 hatte den militärischen Zusammenbruch und einen Aufstand in Deutschland gebracht. In der Vorbereitung des Luftkrieges spielten deshalb seitens der Alliierten auch Überlegungen eine Rolle, ob man durch die Verbreitung von Angst und Schrecken in der deutschen Bevölkerung dafür sorgen kann, den November 1918 zu wiederholen.

Das trat nicht ein.

Die Alliierten gingen nach der Ausrufung des „Totalen Krieges“ durch das Nazi-Regime nicht mehr davon aus, dass die deutsche Bevölkerung von sich aus zu bewegen wäre, die Nazis von der Macht zu vertreiben. Die Alliierten unterstützten den deutschen Widerstand nicht, weil sie eine bedingungslose Kapitulation durchsetzen wollten. Sie hatten kein Interesse daran, die Nazis durch eine Oppositionsregierung zu ersetzen, um mit dieser dann in Friedensverhandlungen eintreten zu müssen und womöglich die Fehler des Versailler Vertrages zu wiederholen. Man bestand auf der vollständigen Kapitulation. Der Bombenkrieg aus der Luft verstärkte die Kriegsmüdigkeit der Deutschen, die ohnehin gegeben war. Man denke an die weißen Fahnen, die im Rheinland und Ruhrgebiet aus den Fenstern hingen.

Interview: Jörg S. Carl

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