Die Narrenstücke aus der Region

von Redaktion

Wir präsentieren vier kuriose Bauprojekte, die ein gefundenes Fressen für jede Faschingsveranstaltung sind. Darunter auch der berühmte Tunnel von Erding.

VON HANS MORITZ

Erding – Finanziell betrachtet ist das Vorhaben für die wohlhabende Stadt Erding ein Klacks: 1,1 Millionen Euro soll ein 30 Meter langer Tunnel unter der Landshuter Straße hindurch kosten – zwischen dem Rathaus im historischen „Grafenstock“ und dem neuen Verwaltungsgebäude gegenüber. Das wiederum ist mit 8,5 Millionen Euro veranschlagt und soll im Herbst fertig sein. Angesichts eines Haushaltsvolumens von 130 Millionen Euro wäre der Tunnel an sich nur eine Fußnote wert.

Doch diese 1,1 Millionen Euro wiegen schwer. Seit Jahren hat kein Vorhaben die Erdinger so sehr gespalten wie der Tunnel. Und das liegt maßgeblich an der Begründung, die Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) und seine Verwaltung dafür liefern. Gotz schätzt, „dass wir 300 Botengänge und Begegnungen am Tag haben“. Seine Bürger reiben sich die Augen. Bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag wären das 50 Bewegungen pro Stunde. In Zeiten der Digitalisierung kann das nur ein Witz sein, meint das Volk.

„Nein“, erwidert Gotz, „wir haben das ausgerechnet.“ Oft müssten sich mehrmals am Tag die Ämter zusammensetzen – das Ordnungs- mit dem Bauamt, das Einwohnermelde- mit dem Sozialamt, die Kämmerei mit den Stadtplanern. Und den Bediensteten ist es wirklich nicht zuzumuten, einfach über die Straße zu gehen, auf der seit kurzem Tempo 20 gilt? „Theoretisch möglich“, sagt Gotz, gibt aber zu bedenken: „Wer das Rathaus verlässt, ist im Außendienst und muss das jedes Mal dokumentieren.“

Rathaus-Jurist Andreas Erhard ist in Erding nicht gerade für seinen überbordenden Unterhaltungswert bekannt. Seine Argumentation hat trotzdem schon vielen Stammtischen fröhliche Abende beschert. Denn er weist darauf hin: Der Tunnel müsse schon wegen des Datenschutzes sein. Denn wenn Baupläne, Strafzettel oder Stammbücher unter freiem Himmel die Straßenseite wechseln, könnten Wind und Regen die Akten verwehen oder beschmutzen.

Stadtbaumeister Sebastian Henrich ließ es in der entscheidenden Stadtratsitzung, die mit 33:7 Stimmen pro Tunnel ausging, nicht an Theatralik missen: „Reißt uns nicht auseinander“, beschwor er die Kommunalpolitiker. Die 30 Meter ein paar Meter unter der Erde haben Erding längst ein ordentliches Medienecho beschert: Die BR-Sendung Quer widmete sich dem Thema. Im ZDF-Länderspiegel schaffte es der Tunnel zum „Hammer der Woche“. Da muss die Politik zusammenhalten. Gotz selbst weigerte sich, mit den TV-Teams zu reden, „weil man eh weiß, was da rauskommt“. Dafür sprang Wirtschaftsreferent Rainer Mehringer von den Freien Wählern in die Bresche: „Es wird der Tag kommen, an dem wir dankbar sein werden, dass wir den Tunnel gegraben haben.“ Das Pathos in seiner Stimme ließ auf ein Projekt schließen, das zu einer Neubewertung der bald 800-jährigen Stadtgeschichte führen muss.

Im Erdinger Fasching ist die Debatte ein gefundenes Fressen. Die Narrhalla grub den Tunnel gleich in ihr Programm ein. Sie verweist auf einen Tunnel gut zwei Kilometer weiter – den unter dem Erdinger Weißbräu. „Dort sind täglich drei Millionen Flaschen unterwegs“, ätzen die Karnevalisten. Im Publikum: OB Max Gotz. Der schüttelte sich vor Lachen. Gespielt war das nicht. „Gut gemacht, das muss man aushalten.“

Im Wahlkampf greift die Gruppierung „Erding Jetzt“ das Thema auf. Im Netz verbreitet sich gerade ein Filmchen, in dem ein Bürger ein Taxi bestellt, um auf die andere Straßenseite zu kommen – 7,80 Euro für 30 Meter. So gesehen hätte sich der Tunnel schnell amortisiert.

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