Das neuartige Coronavirus grassiert jetzt auch in Norditalien – und bald bei uns? Eine Einschätzung gibt Prof. Oliver T. Keppler, Leiter der Virologie am Max von Pettenkofer-Institut der LMU München.
Schwappt die Corona- virus-Welle jetzt zu uns?
Das ist sehr wahrscheinlich. Ich glaube, eine weltweite Ausbreitung dieses Erregers ist nicht zu stoppen. Maßnahmen, die versuchen, seine Ausbreitung noch etwas einzuschränken, sind aber sinnvoll – weil wir aktuell sehr viele Influenza-Erkrankte haben. Es wäre gut, wenn man die Influenza von einer mit Coronavirus-assoziierten Krankheitswelle entkoppeln könnte.
Könnte es sein, dass das Virus schon unter uns ist?
Das halte ich persönlich für wahrscheinlich. Der eingedämmte Ausbruch im südlichen Münchner Raum ist sogar ein gutes Beispiel dafür: Die betroffenen Personen sind erst durch die Rückmeldung der chinesischen Mitarbeiterin der Firma aus Stockdorf auf die Infektion aufmerksam geworden. Rein anhand der klinischen Symptomatik wären sie nicht aufgefallen und die Betroffenen vielleicht nie zum Arzt gegangen. Angesichts der hohen Reisetätigkeit zwischen China, Deutschland und der ganzen Welt ist es sehr wahrscheinlich, dass weitere infizierte Menschen schon in den vergangenen sechs Wochen nach Deutschland eingereist sind – und das Virus auch weitergegeben haben.
Wird darauf jetzt auch gezielt getestet?
Aktuell ist das noch nicht der Fall, aber das wird jetzt kommen. Wir haben jeden Winter sogenannte Sentinel-Praxen, in denen Menschen mit Atemwegssyndromen auf die klassischen Erreger hin untersucht werden. Ab heute wird dort auch aktiv nach dem neuen Coronavirus geschaut.
Könnten auch Städte abgeriegelt werden?
Ich halte das für eher unwahrscheinlich, aber das obliegt dem öffentlichen Gesundheitsdienst. Für sinnvoller halte ich in der Anfangsphase Quarantänemaßnahmen in Kliniken oder im häuslichen Umfeld, die sich auf bestimmte Personenkreise beschränken. Bei einer massiven Welle könnte es hilfreich sein, bestimmte öffentliche Einrichtungen und Schulen für eine gewisse Zeit zu schließen – um die Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren.
Ist es Zeit, sich auf einen Ausbruch vorzubereiten?
Das muss man im Augenblick mit einem hohen Maß an Besonnenheit betrachten. Teilweise herrscht eine unter anderem auch durch die Medien befeuerte Panikstimmung in der Bevölkerung und diese schafft leider noch mehr Angst. Es gibt auch Missverständnisse hinsichtlich der gesundheitlichen Bedrohung durch den Erreger: Diese würde ich nach aktuellem Wissensstand wie die von Influenzaviren einordnen.
Wie schützt man sich?
Genauso wie man sich auch vor anderen Erregern von Atemwegserkrankungen im Winter schützt, das heißt vor allem Händehygiene. Zudem sollte man enge, schlecht belüftete Räume meiden. Die Händedesinfektion ist aber absolut entscheidend und extrem wichtig, um eine Schmierinfektion etwa durch Händeschütteln oder über Türklinken zu verhindern. Händewaschen mit Seife ist schon sehr gut, zumal das neue Coronavirus ein relativ empfindlicher Erreger ist. Eine Händedesinfektion kann aber eine gute, zusätzliche Maßnahme sein.
Was ist mit Mundschutz?
Wenn man selbst erkrankt ist, kann ein Mund-Nasen-Schutz andere bis zu einem gewissen Grad vor einer Ansteckung schützen. Sich selbst schützt man damit aber nicht. Noch einmal: Aktuell muss man sicher mehr Sorge vor der Influenza haben. Wir haben allein in Bayern mehr als 10 000 Grippefälle, aber bisher gerade einmal 14 Fälle mit dem neuen Coronavirus – das muss man einfach mal ins Verhältnis setzen. Hamsterkäufe und dergleichen halte ich daher für völlig übertrieben und der Situation nicht angemessen.
Das Interview führte: A. Eppner