Klare Kante gegen Käpt’n Iglo

von Redaktion

Attacke statt Kuschelkurs: Mit scharfer Abgrenzung zu Grünen und AfD bestreitet CSU-Chef Söder den Polit-Aschermittwoch. Er spielt mit den Emotionen im Saal und mit Furcht oder Vorfreude auf eine Kanzlerkandidatur.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Passau – Irgendwann in der ersten Viertelstunde seiner Rede holt Markus Söder doch mal kurz Luft, der hin und her wogende Körper mit den wild gestikulierenden Armen kommt kurz zur Ruhe. Er habe jetzt „in einer Ouvertüre ganz sensibel und sanft“ über die Grünen gesprochen, raunt er. Aber er komme nachher gleich nochmal darauf zurück – der rechte Zeigefinger schnellt nach vorne. Die Passauer Halle johlt.

Nein, nichts ist sensibel und nichts sanft. Mit einer Schärfe wie lange nicht mehr beim Aschermittwoch greift sich der CSU-Chef reihum die Konkurrenz, schon in den ersten Minuten, ohne Pause. Es sind Schimpfkanonaden zwischen Alberei („Habeck, der Käpt’n Iglo der Grünen“) und Spott („mit Überzeugung dagegen, aber keine Ahnung wofür, das ist das grüne Motto“). Mitunter auch mit ganz landesunväterlichem Zorn: Er wirft Habeck den Spruch vor, ihn kotze Vaterlandsliebe an. Söder donnert in die gut besetzte Halle: „Wer sein Land nicht liebt, der darf sein Land nicht führen.“

Söder weiß, dass dieser Tag als eine Art Kanzler-Duell mit Habeck verfolgt wird. Er redet gar nicht drumrum, sondern greift die Grünen immer wieder scharf an. Es ist eigentlich ein Retro-Aschermittwoch, nur dass es halt gegen Grün statt wie unter Strauß gegen Rot geht. Söder ist dem Format gewachsen. Er schwitzt, er dampft, aber die Stimme hält – kein Krächzen wie beim ewig Passau-müden Vorgänger Seehofer, der übrigens aus allen Plakaten und Videos der CSU-Regie getilgt ist.

Zum Plan gehört wie 2019 die harte Abgrenzung von der AfD. Er spricht ihr jede Bürgerlichkeit ab. „Wir müssen sie bekämpfen, müssen sie stellen.“ Die rechtsextremistische Szene wolle „am Ende einen Bürgerkrieg anzetteln“. Er attackiert den Thüringer Fraktionschef: „Warum darf man Höcke gerichtlich einen Nazi nennen?“, ruft er – die Halle hält kurz den Atem an: „Weil er einer ist!“

Neues für Bayern hat er diesmal nicht dabei. Ein pathetisches Sicherheitsversprechen packt er aus, Schutz gelte für alle, „Einheimische, Zugereiste, Migranten“, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht. Der Saal klatscht – als wäre das keine Selbstverständlichkeit.

Ja, es ist ein sehr freundliches Publikum, ab 8.30 Uhr in Laune gehalten von Bier, einem bedauernswerten Statisten im CSU-Bären-Ganzkörperkostüm (dürfte recht warm sein drinnen) und einer teils etwas schrillen Moderation. Inzwischen sind mehr selbstgebastelte Söder-Plakate als Strauß-Puppen (ja, die gibt es hier wirklich) zu zählen. „Markus, bleib in Bayern / in Berlin da gibt es nix zu feiern“, reckt Hans Haag aus Fürth in die Höhe. Und erklärt dazu, er habe doch nur Angst um den Markus. „Die Preißn wählen ihn nicht. Und dann muss er in Berlin bleiben als Oppositionsführer oder sowas.“ Solch innerparteiliche Fürsorge war in der CSU lange nicht zu spüren.

Passau ist für die CSU aber immer auch ein Stimmungstest – gnadenlos. Das bekommen die Grußredner zu spüren. Bei Andreas Scheuer, dem Maut-geplagten Bundesminister, mischen sich laute Pfiffe und Buhrufe in den Beifall. So hat die CSU in Passau noch nie ihren niederbayerischen CSU-Bezirksvorsitzenden begrüßt. Scheuer sagt nichts zur Maut, indirekt aber zu sich: „Rücken durchdrücken, Zukunft gestalten. Ich kann die deutsche Mimimi-Gesellschaft nicht mehr sehen.“ Man sieht Scheuer später still, mit schmalen Lippen auf der Bierbank sitzen.

Anders bei Manfred Weber. Letztes Jahr war er hier gefeierter Europa-Wahlkämpfer. Jetzt kommt er als nichtgewählter Kommissionspräsident. Er spricht offen darüber: „Die Hinterzimmer haben die Macht wieder übernommen. Es ist Schaden an der Demokratie entstanden.“ Man kann das nach sieben Monaten allmählich etwas larmoyant finden, die Halle tut das nicht – die CSU-Basis feiert und bejubelt Weber.

Am Ende wird es ein eher kompakter Auftritt. Söder spricht 70 Minuten, da hätte Stoiber gerade das erste Mal zum Kamillentee gegriffen und dann den Hauptteil seiner Rede begonnen. Ans Ende setzt der Parteichef aber nochmal eine Schlüsselbotschaft. Söder variiert die Aussage von 2018 („Da bin i dahoam, da werd ich auch bleiben“) – und sagt für eine Kanzlerkandidatur aktuell ab. „Hier stehe ich als Ministerpräsident. Ich kann nicht anders. Aber ich will auch nicht anders.“

Pfiffe und Buhrufe für Scheuer

„Hier stehe ich. Ich

kann nicht anders.“

Artikel 3 von 6