Die Pflegerin: „Patienten stellen viele Fragen“
Marina Pavic, 48, ist Stationsleitung der Station M1 der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV in München. Derzeit werden hier keine Besucher hineingelassen. Aus gutem Grund, denn es ist im Klinikum die „Coronastation“. Weder Angehörige von Coronafällen noch von anderen Patienten dürfen rein. Gerade letztere sollen durch das Besuchsverbot zusätzlich vor einer möglichen Infektion geschützt werden. Doch damit fühlen sich auch die „normalen“ Patienten wie in Quarantäne. „Es ist eine Herausforderung, den Angehörigen zu erklären, warum sie nicht zu Besuch kommen können“, sagt Marina Pavic.
Die Stimmung auf der Station ist angespannter als sonst. „Die Patienten stellen aufgrund der vielen Isolationszimmer Fragen. Aber wenn man ihnen den Grund erklärt, dann sind sie wieder beruhigt.“ Patienten mit Corona seien im Berufsalltag nicht anders als andere Isolationspatienten, sagt Pavic. Aber auch für das Klinikpersonal ist der Schutz vor dem Virus wichtig. Jedes Mal, wenn sie eines der Corona-Zimmer betreten, müssen sie sich komplett verhüllen: Schutzkittel, Atemmaske, Handschuhe, Schutzbrille – wie bei allen Isolationsfällen.
Einen Unterschied merke man trotzdem: „Die Arbeit ist anders geworden, der Stress hat sicher zugenommen. Manche Kollegen sind auch verunsichert, da derzeit vieles in der Schwebe ist. Dadurch ist es für uns auf Station schwierig zu planen.“ Man müsse auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und gleichzeitig den normalen Betrieb aufrechterhalten. Eine Herausforderung für alle.
Natürlich sehen auch sie die Bilder aus Italien und lesen die Berichte der dortigen Ärzte. Haben sie Angst, dass uns diese Situation auch droht? „Man kann natürlich nichts zu 100 Prozent ausschließen. Aber ich bin der Meinung, dass die Vorsichtsmaßnahmen nun rechtzeitig getroffen werden, damit wir nicht in diese Lage kommen.“ Jeden Tag gäbe es Treffen von Ärzten, Hygienikerin und Experten, die die Lage aufs Neue besprechen und bewerten. „Darüber werden wir als betroffene Station informiert. Es werden in jedem Fall Maßnahmen für einen möglichen Ernstfall getroffen“, so Pavic.
Marina Pavic und ihre Kollegen nehmen momentan jeden Tag, wie er kommt, Dienst für Dienst. Schließlich kann sich jede Situation auch schlagartig ändern. Angst vor einer Ansteckung bei der Arbeit hat Pavic nicht: „Ich sag’ immer: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich anstecke, ist in der S-Bahn größer als bei mir auf Station.“
Die Stationsleiterin: „Sind gut vorbereitet“
Michaela Beuck ist Leiterin der Aufnahmestation und interdisziplinären Notaufnahme des Klinikums rechts der Isar. Hier liegen Patienten, die auf das Ergebnis des Corona-Tests warten. „Die Lage auf Station ist bisher noch ruhig“, sagt die 35-Jährige. Es kommt jedoch immer häufiger zu Anrufen von besorgten Patienten. Und auch die vermehrt getragenen Mundschutze würden teilweise für leichte Verunsicherung führen. „Wenn Patienten einen erkälteten Eindruck machen oder husten, dann gibt es bereits erschrockene Blicke. Manche verlassen sogar die Notaufnahme.“
Bis auf den Mundschutz habe sich der Arbeitsalltag bisher noch nicht groß geändert. „Es gibt Schulungen und Besprechungen, wie im Ernstfall gehandelt werden soll.“ Michaela Beuck fühlt sich für diesen gut vorbereitet. „Sorgen machen wir uns da derzeit keine.“
Der Hausarzt: „Stehen an vorderster Front“
Dr. Sebastian Brechenmacher ist Kolumnist unserer Zeitung und Hausarzt in Krailling im Landkreis Starnberg. Das Coronavirus belastet auch seine tägliche Arbeit. Hier erzählt er, warum das so ist: „Wir haben jeden Tag etwa zehn Anfragen mehr wegen Corona. Die Leute wollen wissen, ob sie gefährdet sind – zum Beispiel, weil sie Kontakt mit jemanden hatten, der einen Betroffenen kennt. Auch wollen viele plötzlich die Pneumokokken-Impfung – das war in der Vergangenheit nicht unbedingt der Fall. Jetzt kann ich aber nur sagen, dass der Impfstoff leider aus ist, jedenfalls bei der Apotheke, bei der ich bestelle. Wieder andere rufen an, weil sie unter der 116 117, die Nummer des Bereitschaftsdienstes, einfach nicht durchgekommen sind. Auch erscheinen mir die Patienten insgesamt noch nicht allzu beunruhigt. Ich selbst nehme es, wie es kommt.
Als ich neulich den Bericht eines Arztes über die Zustände in Mailand gelesen habe, wurde mir aber schon ein wenig anders. Ich fürchte, dass die Entwicklung bei uns in eine ähnliche Richtung gehen wird. Wir Hausärzte stehen dann an vorderster Front. Schützen können wir uns kaum. Ich habe vor einiger Zeit bei Amazon ein paar Maleranzüge bestellt – für den Fall, dass doch mal ein Verdachtsfall in der Praxis steht, die ja ganz in der Nähe von der Firma Webasto ist. Ansonsten haben wir etwa 20 Atemmasken vorrätig. Aber ich kann ja schlecht den ganzen Tag vermummt Sprechstunde halten. Ich achte auf Hygiene, ansonsten muss man da eben cool bleiben – das ist Berufsrisiko. Sorgen mache ich mir weniger um mich selbst als um meine Patienten, die älter sind und Vorerkrankungen haben.“
Die Apothekerin: „Sachlich beruhigen“
Auch die Apotheker arbeiten derzeit auf Hochtouren, so wie Ingrid Kaiser, 56, von der Engel-Apotheke in Freising. „Wir haben zunehmend ängstliche Kunden, teilweise sogar panische Reaktionen. Aber auch sehr gelassene Kunden, die sagen: ,Wir können sowieso nichts machen‘. Inzwischen ist aber mindestens die Hälfte eher besorgt.“
Die Kunden fragen nach Desinfektionsmittel und Masken. Kaiser und ihre Kollegen werden aber auch immer öfter um Einschätzungen gebeten. „Kunden rufen an und fragen, was sie machen sollen oder ob ich glaube, dass sie sich infiziert haben könnten.“ Sie berichten, dass sie bei Ärzten oder beim Gesundheitsamt nicht durchkommen. Manche wollen wegen der Ansteckungsgefahr nicht in eine Praxis.
Die Menschen schildern Ingrid Kaiser ihre Sorgen und Ängste. Ist es eine normale Erkältung oder doch das Coronavirus? Die Verunsicherung ist groß, die erfahrene Apothekerin und ihre Kollegen versuchen zu beruhigen. „Als Apotheker hat man sicherlich ein Vertrauensverhältnis mit seinen Kunden und für viele sind wir da ein wichtiger Ansprechpartner.“
Ausfälle gibt es bisher in der Engel-Apotheke in Freising nicht. „Gott sei Dank“, sagt Kaiser. Denn sie und ihre sechs Mitarbeiter arbeiten derzeit am Limit, Freizeit ist Mangelware. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle Arzneimittel lieferbar sind und sie oft rumtelefoniert, um dringend notwendige Medikamente aus anderen Apotheken zu beschaffen. Das entgegengebrachte Vertrauen und die Dankbarkeit der Kunden bedeuten für Ingrid Kaiser sehr viel. „Das hilft mir, auch einen besonders anstrengenden Arbeitstag zu überstehen.“ L. BIRNBECK UND A. EPPNER