München – Die Entscheidung kam für die 42 Bewohner des Caritas Alten- und Pflegeheims St. Marien in Seeg im Landkreis Ostallgäu überraschend. Inzwischen verfügten die Landratsämter Ostallgäu, Oberallgäu und Neu-Ulm, dass Besucher Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime zum Schutz vor dem Coronavirus nicht mehr ohne Weiteres betreten dürfen. „Wir haben nicht damit gerechnet“, sagt Heim- und Pflegedienstleiter Markus Röhrl. Ausnahmen gibt es für medizinische Berufe, Notfälle sowie Handwerker, die nicht aufschiebbare Arbeiten erledigen müssen.
Die Regel könnte auf ganz Bayern ausgeweitet werden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte nach einem Treffen der Ministerpräsidenten, es sei zu überlegen, ob eingeschränkte Besuchsrechte für Altenheime, Kliniken, Pflege- und Behinderteneinrichtungen ein Weg sein könnten, um die ältere Bevölkerung zu schützen. Auch der Landkreistag ist offen dafür, sagt eine Sprecherin: „Was die Altenpflegeheime betrifft, können wir uns tendenziell eine landesweite Regelung vorstellen.“ Man wolle aber nicht einem Gespräch vorgreifen, das heute im Sozialministerium stattfindet. Mit einem Verbot würde Bayern dem Beispiel Frankreichs folgen, wo Besuche in staatlichen Altersheimen und Pflegeeinrichtungen bereits nicht mehr erlaubt sind.
Nach der Anordnung im Allgäu griffen Markus Röhrl und seine Kollegen sofort zum Telefon. „Wir haben die Angehörigen informiert“, sagt Röhrl. „Die meisten hatten Verständnis, aber natürlich sind manche traurig.“ Auch viele Bewohner vermissten die Besuche. „Wir machen jetzt vermehrt Gruppenaktivitäten“, sagt Röhrl. Es sei ein Zwiespalt: „Einerseits ist die Abkapselung vom Umfeld schwierig“, erklärt er. „Andererseits werden die Menschen besser geschützt.“
Den Sozialverbänden fällt es ebenfalls schwer, einen Kompromiss zu finden. „Der Besuch ist für hochbetagte Menschen ein unglaublich hohes Gut“, sagt Sohrab Taheri-Sohi vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK). „Aber gerade diese Menschen sind besonders gefährdet.“ Das BRK gab eine Empfehlung an die Kreisverbände heraus, Besuche einzuschränken. Ein Verbot gibt es derzeit aber nicht. Ähnlich handhabt es die Caritas: „Angehörige, die in Risikogebieten waren, Kontakt zu einem Verdachtsfall hatten oder sich nicht gut fühlen, sollten zuhause bleiben“, erklärt Tobias Utters vom Caritas-Landesverband. „Wir versuchen, zu sensibilisieren, und sind in Austausch mit den Gesundheitsbehörden.“
Bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist Simone Heimkreiter Fachreferentin für Altenhilfe. „Sicher ist es sinnvoll, den Kontakt zu minimieren, um das Virus nicht in die Heime zu tragen“, sagt sie. Sie hat aber noch ganz andere Sorgen: „Material wie Desinfektionsmittel oder Schutzkleidung geht aus, das kann noch ein riesiges Problem werden.“ „Der Markt ist leer gefegt“, bestätigt auch Taheri-Sohi. Die Heime hoffen zudem, dass nicht auch noch viel Personal ausfällt. „Was dann ist, möchten wir uns gar nicht vorstellen“, sagt Heimkreiter. CLAUDIA SCHURI