London – In Großbritannien sollen sich 1,5 Millionen Risikopatienten drei Monate lang in Quarantäne begeben. „Die Menschen sollten zu Hause bleiben, unser staatliches Gesundheitssystem schützen und Leben retten“, forderte Großbritanniens Staatssekretär für kommunale Angelegenheiten, Robert Jenrick, am Sonntag. „Besonders gefährdete Menschen“ sollten „zusätzliche“ Maßnahmen ergreifen, um sich selbst „abzuschirmen“. Premierminister Boris Johnson warnte derweil vor einem „krassen“ Anstieg bei den Infektionszahlen.
In Großbritannien spitzt sich die Coronakrise massiv zu. Erste Kliniken weisen Patienten ab. Ein Mediziner eines Londoner Krankenhauses warnte, die Lage könne noch dramatischer als in Italien werden. Aus Mangel an Kapazitäten und Ausstattung müssten Ärzte künftig über Leben und Tod entscheiden. Britischen Medien zufolge gibt es bereits die offizielle Anweisung, die Überlebenschancen abzuwägen.
Auch Premierminister Boris Johnson hat inzwischen seine optimistische Haltung aufgegeben. Am Sonntag sprach er von „krassen“ Infektionszahlen und einer „beschleunigten“ Ausbreitung des Coronavirus. „Wir sind nur Wochen, vielleicht zwei oder drei, hinter Italien“, sagte Johnson. „Die Italiener haben ein hervorragendes Gesundheitssystem. Und trotzdem sind ihre Ärzte und Krankenpfleger komplett mit der Situation überfordert.“ Das staatliche Gesundheitssystem in Großbritannien gilt als marode und chronisch unterfinanziert. Das macht die Lage noch dramatischer. So liegt Großbritannien bei der Zahl der Beatmungsgeräte mit am Ende der europäischen Statistik. Jetzt wird versucht, aufzustocken. Aber es fehlt auch an Ärzten und Pflegern. Viele Fachkräfte sind im Zuge des Brexit ins Ausland gegangen.
Nun also soll eine Massenquarantäne von Risikopatienten die Lage verbessern. Menschen mit Vorerkrankungen sollten „mindestens zwölf Wochen“ in häuslicher Isolation verbringen, erklärte Jenrick. Die Aufforderung richtet sich unter anderem an Blut- oder Knochenkrebspatienten sowie an Menschen, die unter Stoffwechselerkrankungen leiden. Auch Patienten nach einer Organtransplantation sollen der Anweisung folgen. Die Betroffenen sollen von ihren Ärzten informiert und über Lieferdienste mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden. In Großbritannien sind 234 Menschen an dem Virus gestorben, obwohl die offiziellen Infektionszahlen noch nicht einmal ein Viertel so hoch sind wie in Deutschland. dpa, afp