München – Die Wiesn fällt aus. Für die meisten Anhänger des Oktoberfests ist das ein bislang einmaliger Einschnitt in ihre Jahresplanung. Doch die Absage ist nicht die erste in der 210-jährigen Wiesn-Geschichte. Insgesamt fielen rund zwei Dutzend Oktoberfeste aus – unter anderem auch wegen einer Seuche: Im 19. Jahrhundert grassierte die Cholera. Aber der Reihe nach.
Die erste Wiesn war eine Hochzeit. 1810 hatte München zur Eheschließung von Kronprinz Ludwig – der spätere König Ludwig I. – mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen das erste Oktoberfest samt Pferderennen gefeiert. Weil das Fest so gut ankam, wurde es schon im Folgejahr wiederholt – und so allmählich zur Münchner Institution. Doch: Schon das vierte Oktoberfest 1813 fiel aus – wegen der Kämpfe mit Napoleons Armee. Nach dem Krieg fand die Wiesn dann Jahr für Jahr als privat finanzierte Veranstaltung statt, bis 1819 die Stadtväter das Oktoberfest zur Chefsache machten.
Ein paar Jahrzehnte später grassierte die Cholera in Bayern. Zwei Mal wurde das Fest deswegen abgesagt: 1854 und 1873. Um die im Juli 1854 in München stattfindende erste deutsche Industrie-Ausstellung nicht zu beeinträchtigen, wurde die Gefahr eines Cholera-Ausbruchs, der in Indien seinen Anfang genommen und schon längst Europa erreicht hatte, öffentlich als Gerücht hingestellt. Ein fataler Fehler: In der ersten Welle gab es in Bayern mehr als 15 000 Cholera-Fälle – fast 7400 Menschen starben. Tragisches Detail: Unter den Opfern war auch Königin Therese, der zu Ehren die Wiesn zum ersten Mal stattgefunden hatte und nach der das Festgelände, die Theresienwiese, benannt ist. Sie war aufgrund einer voreiligen Entwarnung nach München zurückgekehrt – und starb am nächsten Tag.
Bevor die Cholera knapp zwanzig Jahre später zurückkehrte, ließ im Jahr 1866 der preußisch-österreichische Krieg keine Feierlaune aufkommen, Bayern war hier an der Seite Österreichs beteiligt. Auch während des Ersten Weltkriegs gab es keine Oktoberfeste. So feierte München von 1914 bis 1918 nicht. 1919 und 1920 fanden zwar kleine Herbstfeste statt, die aber offiziell nicht als Oktoberfeste zählen.
1923 wiederum hatten die Menschen wieder andere Sorgen: die Hyperinflation. Während Kreditnehmer wie Staat, Unternehmer und Landwirte davon profitierten, weil sie so ihre angehäuften Schulden tilgen konnten, standen Arbeitnehmer mit festen Einkommen plötzlich vor großen finanziellen Problemen. Zum Verjubeln auf dem Volksfest hatten die Menschen nichts mehr übrig. In diesem und dem Folgejahr ersetzten Geldsorgen und Existenzängste die Bierzeltstimmung, wie auf der offiziellen Internetseite des Oktoberfests nachzulesen ist.
Die nächste Zwangspause folgte schließlich während des Zweiten Weltkriegs. Und auch nach Kriegsende wurde von 1946 bis 1948 nur ein kleines Herbstfest gefeiert. Erst 1949 ging es wieder richtig los mit der Wiesn. „Seit diesem Zeitpunkt musste das Oktoberfest nie wieder abgesagt werden – wir hoffen, dass das so bleibt“, heißt es am Dienstag noch auf der Oktoberfest-Seite der Stadt. Der Wunsch hat sich nun nicht erfüllt. hor/dpa