München/Miesbach/Prien – Montagmorgen, der Gong ertönt, die Schule läuft – Direktor Rainer Dlugosch vom Gymnasium Miesbach könnte eigentlich ganz zufrieden sein. Bis auf zwei Schüler – einer ist ganz normal krank, ein zweiter familiär bedingt in Quarantäne – sind alle 60 Abiturienten erschienen. Alles gut also, wenn nicht diese lästige Maske wäre. Dlugosch ist Brillenträger. Furchtbar, schimpft er, dauernd laufe die Brille an. Und den Kollegen geht es nicht viel anders. Der Unterricht mit Maske, so weiß Dlugosch gegen Mittag, als er durch die Klassenzimmer gelaufen ist, ist „schon sehr, sehr anstrengend“. „Das hältst du nicht aus.“
Tag eins nach sechs Wochen Schulschließung: Bayernweit gehen zumindest die Abschlussklassen – diejenigen also, die in diesem Schuljahr noch ihr Abi, ihre mittlere Reife oder ihren „Quali“ machen sollen – wieder in die Schule. 14 Prozent der Schüler im Schnitt, bayernweit gut 200 000 von insgesamt 1,6 Millionen Schülern.
Ganz ordentlich, ohne Gedrängel läuft es ab. Die Schulen hatten ja auch einige Zeit, um sich auf den Corona-Schulalltag vorzubereiten. Also sind am Gymnasium Kirchseeon (Kreis Ebersberg) schon vor dem Haupteingang rechts und links Tische aufgebaut, damit der Sicherheitspuffer gewahrt ist. „Abstand halten“, meint ein Lehrer – damit es auch der Letzte begreift. Es klappte wohl ganz gut, die Schüler waren einsichtiger, als so mancher dachte. „Ich muss meinen Schülern ein Kompliment machen“, sagt auch Realschuldirektorin Kerstin Haferkorn in Prien am Chiemsee: „Sie waren alle äußerst diszipliniert – man kann sich auf sie verlassen.“
Auch am Gymnasium Miesbach beginnt der Schulalltag. Abiturient Paul Ledermann, 18, aus Holzkirchen ist „froh, dass ich wieder mal alle gesehen habe“ – und er meint nicht nur seine Mitschüler, sondern ausdrücklich auch die Lehrer. Unterricht im Klassenzimmer sei schon was anderes als immer nur dieser E-Mail-Austausch.
Am 20. Mai beginnt in Bayern das Abitur mit der Prüfung in Deutsch. Bis dahin haben Paul und seine 60 Mitschüler der Qualifikationsstufe Q 12 nur noch Unterricht in den Abifächern. Los ging’s am Montag mit je zwei Stunden Deutsch und Mathematik. Den Freitag hat Schuldirektor Dlugosch unterrichtsfrei gehalten – „da wollen wir weiter Digitalunterricht geben“, sagt er. Klausuren werden keine mehr geschrieben.
Auch in Prien ist der Unterricht reduziert. Nur noch die prüfungsrelevanten Fächer stünden auf dem Stundenplan, sagt Schulrektorin Kerstin Haferkorn. Für die Zehntklässler heißt das, dass sie zum Beispiel kein Biologie, Geschichte oder Sozialkunde mehr haben werden. Wo es möglich war, zum Beispiel in Informationstechnologie, wurden die Jahresnoten hochgerechnet. Klausuren gibt es aber – anders als am Gymnasium – schon noch, denn die Mittlere-Reife-Prüfung beginnt erst am 1. Juli.
Wie geht es nun weiter?
Je länger man mit Schuldirektor Rainer Dlugosch redet, desto mehr bricht es aus ihm heraus. Es werde schwierig, falls weitere Jahrgänge hinzu- kommen, sagt er. Am Gymnasium Miesbach gibt es 130 Elftklässler. Sie sind als nächste an der Reihe – im Zeitplan fest vorgesehen ist ihr Schulbeginn in zwei Wochen, also am 11. Mai. Tja, sagt Dlugosch, wenn auch diese Schüler in Kleingruppen aufgeteilt werden müssen, „dann sind wir voll“. Lehrer gibt es dann auch nicht mehr, da für halbierte Klassen ja doppelt so viele Lehrer notwendig sind. Dennoch hält der Schuldirektor den Schulbesuch weiterer Schülerjahrgänge für unbedingt notwendig. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man der Q 12 sogar ein „Not-
abitur“ verpassen können, damit die nachrückenden Jahrgänge besser in die Schule integriert werden können. „Die müssen doch auf Vordermann gebracht werden“, schimpft Dlugosch.
Ob das ohne Masken geht? Eine Maskenpflicht besteht in den Schulen bisher nicht. Kultusminister Michael Piazolo ist dagegen – weil er die Masken in dieser Menge nicht beschaffen kann und weil Maskentragen über vier, fünf Stunden auch sehr anstrengend sei, wie er am Montag erneut betonte. „Bei uns sind zwei Drittel der Schüler ohne Maske erschienen“, berichtet Dlugosch. Am Eingang erhielten sie welche aus dem „Starterpaket“, das das Kultusministerium den Schulen zur Verfügung gestellt hatte. Die meisten Schüler stülpten sie sich nur kurz über. „Man kann da doch kaum atmen, und reden auch nicht“, stöhnt Schüler Paul Ledermann. Ähnlich war es in Prien. Die Realschule hatte 350 Mund-Nase-Masken von einer Apotheke gespendet bekommen. Verteilt werden mussten sie nicht. „Alle Schüler sind schon mit Maske erschienen, weil sie mit Bus oder Bahn herfahren.“
Allerdings nahmen sie die Masken im Unterricht dann runter. Schulleiterin Haferkorn findet das in Ordnung, der Abstand im Raum sei ja genügend groß. Allerdings: Sollten in den kommenden Wochen mehr Schüler zurückkehren, „haben wir in den Gängen sozusagen erhöhtes Verkehrsaufkommen“. Dann, so meint sie, „werden wir wohl zur Maskenpflicht kommen müssen“.