Über 100 Ansteckungen nach Gottesdienst

von Redaktion

Corona-Ausbruch in Frankfurt ängstigt Gläubige – Auch in Oberbayern meiden viele Menschen Kirchen

VON JUTTA RIPPEGATHER UND NINA PRAUN

Frankfurt/München – Nach einem Gottesdienst in einer Kirchengemeinde der Baptisten in Frankfurt-Rödelheim am 10. Mai haben Gesundheitsämter 107 Infektionen registriert. Diese Zahl nannte Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) am Sonntag. Der Corona-Brennpunkt war durch einen Bericht der „Frankfurter Rundschau“ öffentlich geworden. Klose zufolge sind drei Landkreise und die Stadt Frankfurt betroffen. Dort wurden mehr als 40 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, sagte der Leiter des Gesundheitsamts der Stadt, René Gottschalk, am Sonntag.

Hinzu kommen die bereits bekannten 16 Fälle in Hanau. Plus 26 aus Rosbach und Karben, über die der Wetteraukreis am Sonntag informierte. Alle 26 stünden in Zusammenhang mit dem Gottesdienst vor zwei Wochen. Insgesamt befinden sich 76 Personen in Quarantäne oder Isolation. Darunter ein positiv getestetes Kind, das die Notbetreuung im einem Kindergarten besucht hatte. Dort wurde von allen anderen Kindern und von den Erzieherinnen ein Abstrich genommen. Ergebnis: „Alle getesteten Personen waren negativ. Niemand hat sich bei dem Kind angesteckt.“

Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Infizierten noch weitaus höher ist. Nach einer Mitteilung des Main-Kinzig-Kreises sind mehrere Landkreise betroffen. Deren Gesundheitsämter seien dem Frankfurter Gesundheitsamt nicht berichtspflichtig, sagte Gottschalk. Nach Angaben des Amtsleiters hatten sich die meisten Gläubigen nicht bei, sondern nach dem Gottesdienst zu Hause angesteckt. „Die weitaus meisten sind nicht sonderlich krank. Nach unserem Kenntnisstand ist auch nur eine Person in einem Krankenhaus.“ Die Einzelfälle würden nachverfolgt. „Wir haben das gut im Griff.“

Wie es den 16 Infizierten in Hanau gehe, wisse er nicht, sagte Daniel Freimuth vom Krisenstab der Stadt am Sonntag. Der Oberbürgermeister habe noch keine Informationen vom zuständigen Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises bekommen.

Der stellvertretende Vereinsvorsitzende der Gemeinde der Evangeliums-Christen-Baptisten, Wladimir Pritzkau, hatte am Samstag gesagt, es befänden sich sechs Betroffene in Krankenhäusern. Die anderen seien zu Hause. „Wir haben alle Versammlungen abgebrochen. Gottesdienste gibt es jetzt nur noch online“, sagte der 64-Jährige. „Bei uns ist es eine schwierige Lage.“

Über die Zahl der Gemeindemitglieder insgesamt wollte Pritzkau keine Angaben machen. Die meisten kämen aus dem Raum Frankfurt. In der Gemeinde der Evangeliums-Christen-Baptisten finden die Gottesdienste laut Homepage in deutscher und russischer Sprache statt. Wie viele Besucher zu dem Gottesdienst am 10. Mai gekommen seien, könne er „nicht genau sagen“, sagte Pritzkau. „Bei uns sind aber alle Regeln eingehalten worden.“ Es habe Desinfektionsmittel gegeben, der vorgeschriebene Abstand sei beachtet worden.

Auch für die Gläubigen in Bayern bleiben die Einschränkungen durch Corona eine Herausforderung. Viele fürchten sich vor Ansteckungen – und bleiben den Gottesdiensten fern. „Es ist ein wirklich schwerer Einschnitt für uns“, sagt Bernhard Kellner, Pressesprecher der Erzdiözese München und Freising. „Unsere Pfarreien geben sich wahnsinnig viel Mühe, die strengen Auflagen umzusetzen.“ Doch viele Gläubige empfinden die neuen Regeln wohl als befremdlich, erklärt Kellner: „Es kommen Leute in die Gottesdienste, ja. Aber es sind wenige.“

Die Kirchen sind relativ leer, doch die Nachfrage nach den digitalen Angeboten des Erzbistums ist extrem hoch, berichtet Kellner. „Unsere Zugriffszahlen auf die Gottesdienste im Stream und auf die Angebote unserer Websites sind um ein Vielfaches höher als vor der Pandemie.“

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