Washington – Korboi Balla ist selbst Afro-Amerikaner. Er arbeitet für die Feuerwehr in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota. Jahrzehntelang hatte er gespart, um heuer eine Bar zu eröffnen. Nun liegt sein Lebenstraum in Asche. Randalierer haben die Bar angezündet, so wie viele andere Geschäfte in der Stadt, in der George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz starb. Der Tod des 46-Jährigen vor gut einer Woche lässt die USA nicht zur Ruhe kommen. Ein Polizist hatte dem Schwarzen minutenlang sein Knie in den Nacken gedrückt. Die Bitten, ihn atmen zu lassen, ignorierte er. Floyds letzte Worte „I can’t breathe“ – „Ich kann nicht atmen“ – sind zum Motto der Proteste geworden.
Trump muss in Bunker
In Minneapolis gab es die sechste Nacht in Folge teils gewalttätige Aufmärsche. Auch in Los Angeles, San Francisco und New York. Mindestens 40 Städte verhängten nächtliche Ausgangssperren, darunter Washington. Bei den Protesten vor dem Weißen Haus kam es am Sonntag zu Zusammenstößen mit der Polizei. Demonstranten skandierten „Kein Frieden ohne Gerechtigkeit“ und trugen Schilder mit Floyds letzten Worten. US-Präsident Donald Trump wurde einem CNN-Bericht zufolge für eine Stunde in einen Bunker gebracht.
Es sind verstörende Bilder, die am Wochenende über die Medien verbreitet wurden. Bilder friedlicher Demonstranten, aber auch Bilder ungezügelter Gewalt. Ein Twitter-Video zeigt Vermummte in New York, die eine Frau mit einer Holzlatte verprügeln, weil sie sich schützend vor ihr Geschäft stellt. In Dallas, Texas, traten schwarze und weiße Randalierer einen Geschäftsinhaber nieder und steinigten ihn. Ein Twitter-Video zeigt die Tat und wie der Mann mit verdrehten Gliedmaßen bewusstlos liegen bleibt. Er kämpft im Krankenhaus um sein Leben.
Polizisten knien nieder
In Oakland, Kalifornien, schossen Demonstranten auf Polizisten, einer starb. In New York fuhr ein Polizeiauto absichtlich in eine Gruppe von Demonstranten, in Minneapolis ein Tankwagen auf einer Autobahn in eine protestierende Menschenmenge, ehe er bremste. Der Fahrer wurde festgenommen, die Hintergründe sind unklar. Verletzt wurde niemand.
Auf Twitter machte Trump am Sonntag erneut linksradikale Gruppen verantwortlich. Auch die Behörden in Minneapolis erklärten, Kräfte aus dem ultralinken Spektrum nutzten den Fall Floyd als Vorwand für Gewalt. Keiner der bisher Festgenommenen stamme aus Minneapolis, behaupten die Behörden.
In New York war Berichten zufolge eine Tochter von Bürgermeister Bill de Blasio unter den festgenommenen Demonstranten. Fernsehbilder zeigen brennende Fahrzeuge in Boston und Plünderungen in Philadelphia. Und es gibt Bilder von Polizisten aus Michigan, die sich vor den Demonstranten hinknieten mit den Worten „Wir sind auch wütend“. In Houston zeigte Polizeichef Art Acevedo ebenfalls die Geste der Solidarität mit Opfern rassistischer Gewalt. In mehreren Städten hätten Polizisten Gespräche mit den Demonstranten gesucht, berichtete CNN.
Ein Sohn des Getöteten rief am Sonntag zum Gewaltverzicht auf. In einem TV-Interview appellierte Quincy Mason Floyd an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Zugleich äußerte er sich bewegt über die große Anteilnahme am Tod seines Vaters. „Jeder kommt und zeigt ihm Liebe. Mein Herz ist sehr berührt von all dem.“ Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, unterstrich das Recht auf Demonstrationen gegen Polizeigewalt. „Gegen solche Brutalität zu protestieren, ist richtig und notwendig“, erklärte er. Dies rechtfertige aber keine „unnötige Zerstörung“.
Nationalgarde greift ein
Mindestens 15 US-Bundesstaaten und der Hauptstadtbezirk Washington mobilisierten die Nationalgarde. Präsident Trump kündigte an, die sogenannte Antifa solle als Terrororganisation eingestuft werden. Die Antifa hat keine zentrale Organisationsstruktur. Zum Antifaschismus bekennen sich zahlreiche unterschiedliche linke oder auch linksradikale Gruppen in den USA.
Nach den Ausschreitungen rief Trump demokratische Bürgermeister und Gouverneure zum Durchgreifen auf. „Legen Sie eine härtere Gangart ein“, schrieb er auf Twitter. „Diese Menschen sind Anarchisten. Rufen Sie jetzt unsere Nationalgarde. Die Welt schaut zu und lacht Sie und den Schläfrigen Joe aus.“ Trump verunglimpft Joe Biden oft als „Schläfrigen Joe“.
Der weiße Polizist Derek Chauvin, der auf Floyds Hals kniete, soll am 8. Juni erstmals vor Gericht gehört werden. Chauvin soll wegen Mordes dritten Grades angeklagt werden, was praktisch einem Totschlag oder fahrlässiger Tötung gleichkäme. Die drei anderen am Einsatz beteiligten Polizisten wurden aus dem Dienst entlassen, sind aber weiter auf freiem Fuß.