Die Bilderbuch-Rosi wird 70

von Redaktion

VON ELISABETH SCHLAMMERL

Garmisch-Partenkirchen – Viele Gedanken hat sich Rosi Mittermaier nicht gemacht, was an ihrem 70. Geburtstag passieren soll. Einfach auf sich zukommen lassen, denn planen und organisieren, das ist nicht so ihr Ding. Als sich dann aber ein Bus mit Freunden und Familie samt Bürgermeister aus Reit im Winkl für heute ankündigte, schritt sie ein. Eine große Party, sagt die Ex-Skirennläuferin, „geht doch in Corona-Zeiten nicht“. Außerdem verstehe sie gar nicht, dass sie überhaupt feiern solle. „Ich finde, ich habe doch jeden Tag Geburtstag, weil es mir gut geht.“

Ehemann Christian Neureuther überrascht sie nun mit einer kleinen Reise „auf den Spuren der Vergangenheit“, wie er sagt. Nach einem Empfang am Dienstag beim Landrat sind die beiden nach Südtirol gefahren.

Rosi Mittermaier steht nicht gern im Mittelpunkt. Sie nimmt es mehr hin, wenn sich alles um sie dreht. Wie damals in Innsbruck, als sie Olympia-Gold in der Abfahrt und im Slalom sowie Silber im Riesenslalom gewann. Es wurde an ihr gezerrt und gezogen, der Rummel, sagt sie, „war schon krass“. Aber Rosi Mittermaier verlor ihr Lächeln nicht einmal, als Reporter sie an der jubelnden Menge vorbei zu den Fernsehkabinen trugen. „Ich dachte, nach drei Wochen ist alles vorbei“ – wenn sie wieder daheim ist, auf der Winklmoosalm über Reit im Winkl.

Aber dort ging es weiter. Fans belagerten das Haus, noch Monate danach stiegen Leute über den Zaun, starrten ungeniert in die Fenster und der Familie auf den Esstisch. „Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus“, weiß die „Gold-Rosi“ heute. Nicht nur wegen ihrer Erfolge ist sie noch immer überall beliebt. Die Medaillen haben ihr Leben verändert. Rosi Mittermaier war die erste professionell vermarktete deutsche Sportlerin. „Ich hatte einfach viel Glück im Leben“, sagt sie. Weil sie als Kind auf der Winklmoosalm mit ihren Schwestern, der zehn Jahre älteren Heidi und der drei Jahre jüngeren Evi, „einfach rumsausen“ konnte. „Das war die totale Freiheit.“ Später, weil sie als Skirennläuferin ohne große Verletzung blieb, Freunde fürs Leben fand – und Christian Neureuther kennenlernte.

Seit fast 55 Jahren sind die beiden ein Paar, seit 40 Jahren verheiratet. Skandalfrei leben sie am Fuße der Kramerspitz in Garmisch-Partenkirchen. Die intakte Familie, mit inzwischen drei Enkelkindern, ist neben der Gesundheit für Rosi Mittermaier das größte Glück. Bewegung, Natur und auch Sport spielten früh eine Rolle in ihrem Leben. Auf dem Schoß vom Papa hat Rosa Katharina –- so heißt Rosi eigentlich – in einem Hotel im Skigebiet das Finale der Fußball-WM 1954 gesehen. Später wurde der Kapitän der Mannschaft, Fritz Walter, ein guter Freund der Familie. „Er war sogar bei unserer Hochzeit“, erzählt Rosi Mittermaier. Und natürlich hat sie früh Skifahren gelernt, auf den Pisten vor dem Haus.

Der Vater betrieb eine Skischule, die später Schwester Heidi übernahm. Die Mutter kümmerte sich um die Gäste, denn auf der Winklmoosalm bewirtschafteten die Mittermaiers zuerst ein Gasthaus, später ein Studentenheim.

Die Eltern und der Sport haben ihr die Werte vermittelt, die Rosi an ihre Kinder Ameli und Felix weitergab. Freundlich, offen, bescheiden, ehrlich: So haben sie ihre Kolleginnen im Ski-Zirkus kennengelernt, und so ist sie all die Jahre geblieben. Neid ist ihr fremd, früher hat sie sich über Erfolge der Konkurrentinnen genauso gefreut wie über die eigenen.

Als Rosi Mittermaier mit 25 ihre Karriere beendete, knapp vier Monate nach den beiden Olympiasiegen, ist sie viel gereist, hat Dinge ausprobiert, die es in der Idylle über Reit im Winkl nicht gab. Motorradfahren, Surfen, Fallschirmspringen. Und Christian hat ihr Interesse für Kunst geweckt. „Es ist wichtig, neugierig zu bleiben“, sagt sie. Skifahren ist immer noch ihre große Leidenschaft. Vergangenen Winter musste sie pausieren. Zuerst rutschte sie auf einer Eisplatte aus, es folgte eine Schulteroperation.

Jetzt freut sie sich auf den nächsten Winter. Sohn Felix hat ihr Tourenski geschenkt – die will Rosi Mittermaier endlich ausprobieren. Zwar hat ihr „das Runterfahren bisher besser gefallen als das Raufgehen“. Aber für ein neues Hobby ist es nie zu spät. Für die Frau, für die jeder Tag wie ein Geburtstag ist.

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