Leontine Gräfin von Schmettow ist die Adelsexpertin des Norddeutschen Rundfunks.
Am Dienstag erscheint die Harry-Meghan-Biografie. Einige Vorabauszüge hat die „Times“ schon abgedruckt… Was, glauben Sie, wird das Buch in Großbritannien auslösen?
Vermutlich wird das Buch die Briten polarisieren. Wir werden diejenigen erleben, die sagen: Es gibt momentan wahrlich andere Probleme in der Welt als die Unstimmigkeiten zwischen Harry und Meghan und dem Hof, es sei genug der Nabelschau, genug gejammert. Die anderen, insbesondere die jüngeren Briten, werden sich vermutlich darin bestätigt fühlen, dass die angestaubte Institution der Monarchie Meghan als Bedrohung empfunden hat und nicht gewillt war, sie mit offenen Armen aufzunehmen.
Und wie wird es sich auf das Verhältnis von Harry und Meghan zum Rest der Familie auswirken?
Die königliche Familie, insbesondere Prinz William, wird enttäuscht sein, wenn nicht gar verletzt, dass mit diesem Buch private und wenig schmeichelhafte Familienangelegenheiten an die Öffentlichkeit kommen. Es wird den Bruch zwischen den Brüdern noch vertiefen und einen potenziellen Rücktritt vom „Megxit“ erschweren.
Harry und Meghan bestreiten, an dem Buch mitgearbeitet zu haben. Das hat Diana damals auch getan. Wie ist Ihre Einschätzung?
Es ist davon auszugehen, dass Harry und Meghan zumindest ihr Einverständnis gegeben haben, dass viele ihrer engen Freunde und Wegbegleiter interviewt wurden. Insofern konnten sie sich relativ sicher sein, dass das Buch ihre eigene Sicht auf die Entwicklungen der letzten Monate und Jahre wiedergibt. Auffällig allerdings sind die Beschreibungen sehr privater Momente in der Biografie, zum Beispiel, was Prinz Harry nach seinem ersten Treffen mit Meghan gedacht und gefühlt hat. Man fragt sich unwillkürlich, wie die beiden Autoren zu diesen Insider-Informationen gekommen sind oder ob sie ihrer Fantasie entspringen. Allerdings gab es bisher auch kein offizielles Dementi des sonst so klagefreudigen Ehepaares, ein weiteres Indiz, dass es eine offensichtlich große Übereinstimmung zwischen den Sussexes und den Autoren gibt.
Die Aussagen des Buches sind teilweise sehr intim. Zitiert werden ein „Freund“, ein „Vertrauter“, ein „Palastmitarbeiter“. Für wie vertrauenswürdig halten Sie die Quellen?
Die Verfasser selber sprechen vom „Inner Circle“ des Herzogpaares, enge Freunde und Wegbegleiter, die sie interviewen konnten. Die vielen Details deuten tatsächlich auf Insiderwissen hin, allerdings überwiegend aus der Sicht der Sussexes. Harry und Meghan sind die unschuldigen Opfer von Palastintrigen, Animositäten und überzogener Hierarchie-Hörigkeit. Sie seien ungerecht behandelt, gemobbt und ins Abseits gestellt worden. Eine Tonart, die wir aus dem Buch „Diana: Ihre wahre Geschichte“ aus dem Jahr 1992 kennen. Wer da noch sagt: Geschichte wiederholt sich nicht….
Glauben Sie, dass sie sich damit einen Gefallen getan haben?
Jetzt, wo Harry und Meghan nicht mehr offizieller Teil der Royal Family sind, wollten sie meiner Meinung nach endlich einmal ihre Sicht der Dinge schildern. Aber zu welchem Preis! Schlagzeilen zu machen mit unerfreulichen Interna bedeutet nicht nur, den Bruch mit der Familie zu vertiefen, sondern auch den eigenen Marktwert zu verschlechtern. Denn wer will schon mit jemandem zusammenarbeiten, der, statt in die Zukunft zu schauen, mit dem Finger auf andere zeigt und Vergangenheitsbewältigung betreibt?
Zum Abschluss: Was glauben Sie? Wo stehen Harry und Meghan in drei Jahren? Allein auf weiter Flur – oder da wo sie hinwollten?
Bleibt in erster Linie zu hoffen, dass die beiden dann noch immer glücklich miteinander sind. Darüber hinaus wünsche ich Harry und Meghan, dass sie ihren Frieden finden: mit der königlichen Familie, ihrer neuen Rolle und mehr persönlicher Unabhängigkeit. Auch auf die – überschaubare – Gefahr hin, dass sie dabei an Einfluss und Bedeutung verlieren.
Interview: Claudia Muschiol