Keine Politikerin in Bayern kennt Kroatien so gut wie sie: Michaela Kaniber, Bayerns Agrarministerin, hat kroatische Wurzeln. Ihre Eltern sind Ende der 60er-Jahre als Gastarbeiter eingewandert. Eigentlich wollte die 42-Jährige auch jetzt, wie jeden Sommer, nach Kroatien fahren. Nun kommen die hohen Infektionszahlen dazwischen.
Sie haben gerade Ihren Sommerurlaub in Kroatien abgesagt. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
Es ist für mich wirklich sehr, sehr schwer. Es ist die einzige Zeit im Jahr, die ich ungestört mit meinen Eltern verbringen kann. Die ganze Familie trifft sich jeden Sommer im Geburtshaus meines Vaters. Dieses Jahr fällt dieses Familientreffen aus, ich werde sie nicht sehen können, das ist schon hart für mich. Aber ich habe eine Vernunft-Entscheidung getroffen.
Die kroatische Gemeinde in Bayern ist groß. Wenn Sie jemand um Rat bittet, ob er hinreisen soll oder nicht – was sagen Sie?
Mich haben tatsächlich viele Menschen angesprochen, ob sie hinreisen sollen, ob sie ihren Urlaub abbrechen sollen. Es muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Ich rate zur Zurückhaltung. Wer reist, egal wohin, muss wahnsinnig vernünftig sein und sollte sich die Unterkünfte und Restaurants wirklich sehr genau aussuchen. Vielleicht ist es klüger, Frühstücksbuffets und Wellnessangebote zu meiden.
Warum sind die Zahlen in Kroatien so angestiegen? Was läuft da falsch?
Ich verstehe jeden, der eine Auszeit vom Stress des Alltags braucht. Ich verstehe, dass die Menschen gerne reisen. Wo ich langsam kein Verständnis mehr aufbringe, sind Unvernunft und Party-Tourismus. Leider hat sich genau das in Kroatien gezeigt: Die Zahlen sind dort in die Höhe geschnellt, wo das Nachtleben tobt. Von Zagreb, Slawonien, der Hafenstadt Makarska und vor allem der Partyinsel Pag – eine Art Ballermann – haben sich die Infektionen ausgebreitet. Der Premierminister hat inzwischen selbst eingeräumt: Es war nicht richtig, die Bars offen zu halten.
Jetzt trifft es das ganze Land.
Ja – das Ergebnis vereinzelter Unvernunft. Ich bekomme aber auch viele Rückmeldungen, dass sich die Hoteliers unglaublich bemühen, den Infektionsschutz einzuhalten.
Sollte Deutschland auch Kroatien offiziell zum Risikogebiet erklären?
Ich befürchte, es wird notwendig werden. Die Lage hat sich doch zu sehr zugespitzt. Österreich hatte die Reisewarnung ja bereits ausgesprochen. Wichtig wäre aber, die Österreicher würden nun auch im eigenen Land stringenter mit dem Nachtleben umgehen. Es kommen ja viele junge Menschen aus Kroatien zurück und feiern in Österreich in den offenen Bars weiter.
Momentan gilt keine Testpflicht. Raten Sie Rückkehrern, sich freiwillig testen zu lassen?
Unbedingt! Am besten in den Testzentren an den Autobahnen, oder beim Hausarzt. Beides ist kostenlos.
Wenn der Tourismus einbricht – ist das fatal für Kroatien?
Das ist natürlich sehr schwierig. Jeder weiß, dass Tourismus eine der stärksten Säulen für Kroatiens Wirtschaft ist. Jetzt geht aber überall die Gesundheit vor. Wenn wir dieses Jahr alle vernünftig sind, können wir im nächsten hoffentlich wieder Urlaube in wunderbaren Ländern wie Kroatien machen.
Interview: Chr. Deutschländer