München – Gerald Quitterer ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Präsident der Bayerischen Landesärztekammer. Quitterer sieht das Kernproblem nicht in der komplizierten Rechtslage, sondern im Ärztemangel – vor allem im ländlichen Raum.
Die Notfallsanitäter sehen sich in einem Dilemma: Häufig seien sie vor dem Arzt am Einsatzort, dürfen in bedrohlichen Situationen aber oft keine lebensrettenden Maßnahmen ergreifen – weil sie sonst gegen das Heilkundegesetz verstoßen. Wie sieht die Ärztekammer die Lage?
Wir müssen aufpassen, dass wir vor lauter rechtlichen Argumenten das Kernproblem nicht übersehen. Das richtige Einordnen von akuten Krankheitszuständen und die richtigen Maßnahmen in diesen Situationen sind auch für langjährig erfahrene Ärzte die ganz große Herausforderung und gehören deshalb in deren Kompetenz und Verantwortung. Das ist der entscheidende Punkt, die Rechtsfragen des Heilpraktikergesetzes stehen für mich da nicht im Vordergrund. Ich kenne übrigens auch keine Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Notfallsanitäter nach dem Heilpraktikergesetz.
Ein Gesetzesentwurf des Bundes will Notfallsanitätern jetzt mehr Kompetenzen einräumen. Allerdings muss weiterhin vorab eine Abklärung mit einem Arzt stattfinden. Das Rote Kreuz hält das für praxisfremd. Zu Recht?
Der Gesetzesentwurf spricht hier auch von teleärztlicher Abklärung. Das ist ein vernünftiger Ansatz, um, so gut es geht, ärztliches Wissen in die Bearbeitung der Notfallsituation einfließen zu lassen.
Was kann ein Notfallsanitäter denn überhaupt leisten? Wo liegen aus Ihrer Sicht seine Grenzen?
Eine in der Vergangenheit sehr kontrovers diskutierte Maßnahme ist diejenige der elektrischen Kardioversion, also des Ansatzes, bei Herzrhythmusstörungen eine Synchronisation der Aktivität von Herzmuskelzellen durch einen Stromstoß zu erreichen. Da ist meines Erachtens eindeutig die Grenze dessen überschritten, was Notfallsanitäter leisten können.
Würde eine noch bessere Ausbildung von Notfallsanitätern da helfen?
Für ihren Aufgabenbereich verfügen Notfallsanitäter im Regelfall bereits über eine fundierte Ausbildung. Es ist aus meiner Sicht allerdings keine befriedigende Lösung, aufgrund eines Bedarfs an Notärzten – insbesondere im ländlichen Raum – ureigene ärztliche Aufgaben mehr und mehr auf Notfallsanitäter zu übertragen. Ziel muss deshalb vielmehr sein, die strukturellen Gegebenheiten dahingehend zu ändern, dass der insbesondere im ländlichen Raum vorhandene Bedarf an zusätzlichen Notärzten gedeckt werden kann. Um dies zu erreichen, müssen einerseits generell mehr Studienplätze im Bereich Humanmedizin geschaffen werden; zum anderen müssen mehr Anreize für Ärzte geschaffen werden, im ländlichen Raum tätig zu werden. Des Weiteren sollte die Notfallversorgung so aufgestellt werden, dass sich künftig wieder mehr Ärzte eine Tätigkeit in diesem Bereich vorstellen können. Hierzu ist insbesondere die finanzielle Ausstattung der Notfallversorgung wesentlich zu verbessern. Diese muss mindestens ebenso attraktiv ausgestaltet werden wie beim vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Da geht es beispielsweise um eine adäquate Vergütung auch der einsatzfreien Zeiten.
Muss der Gesetzesentwurf nachgebessert werden?
Für mich geht es um die gute Versorgung der Notfallpatienten, nicht um Rechtsfragen. Gute Ausbildung der Notfallsanitäter, Verbesserung der Situation der Notärzte, gute Zusammenarbeit zwischen Notärzten und Notfallsanitätern – das ist das, was der Notfallpatient braucht.
Interview: Wolfgang Hauskrecht