München – Die Vergiftung des russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny mit einem Nervenkampfstoff ist kein Einzelfall. Immer wieder werden Regimegegner aus Russland Ziel von solchen Attentaten. Sogar eine britische Zivilistin verlor ihr Leben, weil sie im Jahr 2018 offenbar zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Sergej und Julia Skripal, vergiftet im März 2018
Der russisch-britische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia werden am 4. März 2018 in der englischen Stadt Salisbury bewusstlos aufgefunden und mit Anzeichen einer Vergiftung in eine Klinik eingeliefert. Das britische Militär identifiziert das Gift. Es ist aus der sogenannten „Nowitschok“-Gruppe – wie der Giftstoff im Nawalny-Fall. Britische Behörden machen Russland für das Attentat verantwortlich. Der Anschlag löst eine große Krise zwischen Großbritannien und Russland aus. Vater und Tochter überleben die Vergiftung.
Todesopfer fordert der Fall einige Wochen später 13 Kilometer weiter entfernt. In der Stadt Amesbury kommen die obdachlosen Briten Dawn Sturgess und Charlie Rowley am 30. Juni mit dem Giftstoff des Skripal-Attentats in Berührung. Es war getarnt in einer Parfümflasche in einem Mülleimer. Beide werden bewusstlos in einem Haus gefunden und in eine Klinik gebracht. Acht Tage später stirbt Sturgess. Rowley erholt sich wieder.
Pjotr Wersilow,
vergiftet im September 2018 Pjotr Wersilow, der 30-jährige Journalist und Aktivist der russischen Protestband „Pussy Riot“, wird im September 2018 plötzlich krank. Erst wird er auf einer Intensivstation in Moskau behandelt, dann in die Berliner Charité verlegt. Die Charité hält eine Vergiftung für sehr wahrscheinlich. Wersilow überlebt. Er glaubt, die Vergiftung hätte etwas mit seinen Recherchen bezüglich drei in der Zentralafrikanischen Republik ermordeten Journalisten zu tun. Während dem Fußball-WM-Finale 2018 stürmte er das Spielfeld, um gegen Unterdrückung zu demonstrieren.
Boris Nemzow, erschossen im Februar 2015
Boris Nemzow war einer der bekanntesten Putin-Gegner. Am 27. Februar 2015 ist er mit seiner Freundin auf dem Heimweg. Auf der Großen Moskwa-Brücke mitten in Moskau, in Sichtweite des Kreml, wird er von hinten mit mehreren Schüssen ermordet. Fünf Tschetschenen werden verhaftet, doch bis heute sind weder die Hintermänner gefunden noch das Motiv geklärt.
Drei Monate später liegt Nemzows Freund und Berater Wladimir Kara-Mursa mit plötzlichem Nierenversagen im Koma. Grund: Vergiftung. Er erholt sich. Auch eine zweite Vergiftung im Februar 2017 mit ähnlichen Symptomen und erneutem Koma überlebt Kara-Mursa.
Alexander Perepilichny, vergiftet im November 2009
Der russische Geschäftsmann und Whistleblower Alexander Perepilichny stirbt am 10. November 2012 unerwartet beim Joggen in der Nähe von London, wo er im Exil lebt. Erst wird von einem Herzinfarkt als Todesursache ausgegangen, später eine giftige Substanz in seinem Magen gefunden.
Alexander Litwinenko, vergiftet im November 2006
Alexander Litwinenko, ehemaliger Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und Exilant, trinkt am 1. November 2006 in einem Londoner Restaurant einen Tee. Wenige Tage später muss er ins Krankenhaus. Am 20. Tag seiner Behandlung stirbt Litwinenko. Die Autopsie ergibt Spuren des seltenen und radioaktiven Elements Polonium-210.
Anna Politkowskaja, erschossen im Oktober 2006 Anna Politkowskaja machte sich als investigative Journalistin einen Namen, deckte Menschenrechtsverbrechen im früheren Kriegsgebiet Tschetschenien auf – und bezahlte mit ihrem Leben. Am 7. Oktober 2006 wird sie vor ihrer Wohnung erschossen. 2018 verurteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland. Die Behörden hätten nicht angemessen ermittelt. MAYLS MAJURANI