München – Herbst 1945. Der Krieg ist erst wenige Monate vorbei, die Nahrungsmittel in Bayern sind knapp. Die Anbauflächen sind während des Kriegs geschrumpft, Weizen und Kartoffeln müssen rationiert werden. Und es droht ein strenger Winter. In diesen schwierigen Tagen treten am 7. September 22 Landwirte im Sitzungssaal des Amtes für Ernährung und Landwirtschaft in der Prinz-Ludwig-Straße in München zusammen, um eine vereinte Standesorganisation aus der Taufe zu heben. Es ist die Geburtsstunde des Bayerischen Bauernverbands.
Die Gründungsmitglieder verabschieden an diesem Tag eine „Proklamation an das bayerische Landvolk“, die in vielen bayerischen Dörfern angeschlagen und im Rundfunk verkündet wird. Darin bekennen die Landwirte: „Die nationalsozialistische Herrschaft ist zu Ende. Wir sind durch Lüge und Terror, durch ein Meer von Blut und Tränen hindurch gegangen. Aus freien Menschen wurden wir zu Hörigen eines Tyrannen und seiner Helfershelfer.“ Die Gründer betonen die Wichtigkeit der Landwirtschaft beim Wiederaufbau des Landes und proklamieren: „Dem Kapitalismus setzen wir den Sozialismus der Tat mit unserem landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen entgegen.“
Die Initiatoren sehen ihre neue Vereinigung als Befreiung für den Bauernstand. Der Bauer wolle wieder „ein freier Mensch werden auf eigener Scholle“.
Am 21. Dezember 1945 bekommt der Bayerische Bauernverband im Münchner Rathaus die schriftliche Arbeitserlaubnis aus dem amerikanischen Hauptquartier in Frankfurt überreicht. Und schon im Jahr 1946 steigt die Zahl der Mitglieder auf über 100 000.
Auch heute noch aktuell wirkt die Schlusspassage der Proklamation: „Unsere Arbeit kann aber nicht gedeihen, wenn wir nicht Vertrauen schaffen.“ War damals noch vor allem das Vertrauen anderer Völker gemeint, das durch das NS-Regime zerstört wurde, richtet sich dieser Appell heute viel stärker als früher an die Mitbürger (siehe Interview rechts). dg