„Die Leute sind hungrig nach Feiern“

von Redaktion

INTERVIEW Zu ihrem 30. Geburtstag planten die „Fantastischen Vier“ eine besondere Tournee. Dann kam Corona. „Thomas D“ erzählt, wie das Virus auch die Musikszene befallen hat – und was die Fans 2021 erwartet

München – Vier Männer, zehn Alben, drei Jahrzehnte Hip-Hop. Seit 30 Jahren eilen die Fantastischen Vier von Erfolg zu Erfolg. Auch die Münchner freuten sich schon auf die Schwaben Michi Beck, Smudo, Thomas D und And. Ypsilon im Mai auf dem Königsplatz. Dann blies das Coronavirus die Geburtstagskerzen aus. Nun wollen die „Fanta 4“ am 26. und 27. Juni 2021 auf dem Königsplatz auftreten. Im Interview mit unserer Zeitung erzählt Thomas Dürr, 51, alias Thomas D, von der Zeit so ganz ohne Bühne.

Die größte Tour, seit es die „Fanta 4“ gibt. Wie lange plant man so etwas?

Na ja, im Grunde genommen sollte ja seit unserer Entstehung klar sein, wann unser 30. Jubiläum ist. Wir haben nur immer gedacht: So alt wird man als Band nicht. Aber bei unserem 25. Geburtstag haben wir langsam gemerkt: Okay, scheinbar ist das, was wir hier tun, doch beständiger, als wir dachten. Da haben wir uns erste Gedanken gemacht. Die nächsten zwei Jahre haben wir das noch vor uns hergeschoben, und vor etwa drei Jahren ging die Planung richtig los.

Drei Jahre – das ist eine ziemlich lange Zeit …

Zum 30. Geburtstag muss natürlich was Besonderes kommen. Man fängt zuerst an, ein neues Super-Programm zusammenzustellen. Dann geht es um die Organisation: Wir spielen in Stadien und Hallen. Die müssen frühzeitig gebucht werden. Und in Stadien ist der Aufwand immens – allein schon wegen des Rasens. Der ist nach einem Konzert kaputt. Das kann man sich eigentlich nur leisten, wenn man sich das Stadion mit anderen Künstlern teilt. Also fragt man sich: Wo spielen internationale Künstler am nächsten Tag oder einen Tag vorher? Kann man mit denen einen Deal machen, dass man zusammen die Bühne benutzt? Und dazu kommen die Detailfragen: Machen wir eine halbe Stunde eher oder später auf? Da geht es um 150 Securityleute, die plötzlich länger arbeiten müssen. Es sind einfach unzählige Sachen, an denen geschraubt werden muss. Und wir waren schon so weit.

Und dann fällt die ganze Tour ins Wasser…

Ja, das kam stufenweise. Unser Manager war einer der ersten Menschen, die ich kannte, der Corona hatte. Das war überhaupt kein Spaß. Und die Folgeerscheinung war eigentlich schnell abzusehen. Erst wollten wir in den Herbst umplanen. Dann war aber schnell klar: Das wird dieses Jahr nichts mehr.

Wie ist das – so eine Riesen-Tour einfach ins nächste Jahr umzuplanen?

Wir mussten sofort anfangen. Die Locations waren fürs nächste Jahr sehr schnell ausgebucht. Es war klar, dass wir nicht die Einzigen sind, die Ersatztermine suchen. Und die Konzertkarten waren schon alle verkauft. Ein paar Stadien mussten wir durch Hallen ersetzen, aber dann spielen wir halt zwei Mal. Wir werden uns umso mehr Mühe geben, dass alle auf ihre Kosten kommen.

Kann man denn einfach so eine ganze Tour ins nächste Jahr quetschen?

Nein, nächstes Jahr wird uns ein ganzer Festivalsommer fehlen. Nach so großen Touren veranstalten wir eigentlich gerne eigene kleine Festivals abseits der großen Städte. Da freuen sich viele Fans vom Land, dass wir zu ihnen kommen und nicht umgekehrt. Aber die Termine mussten wir wieder über Bord werfen, um die von diesem Jahr unterzukriegen. Aber ich glaube, die Fans können einen doppelten Konzertsommer erleben – angenommen, wir kommen wieder zurück zur Normalität. Dann wird das ein Jahr, wie wir es noch nie hatten! Die Leute sind ja hungrig darauf. Man sieht es an den vielen illegalen Partys. Die Isolation macht uns allen zu schaffen – und die Leute werden umso mehr feiern, wenn es wieder möglich ist.

Was passiert jetzt mit der Musikbranche nach einem Jahr ohne Konzerte?

Für uns ist die Arbeit dieses Jahr ja nicht weniger geworden – im Gegenteil, es ist ein Vielfaches mehr an organisatorischem Aufwand. Aber bei null Einkommen. Das wird für viele Musiker das endgültige Aus bedeuten. Jetzt muss man an die Covermusiker denken, an Bands, die auf Hochzeiten spielen – also wirklich vom Live-Auftritt leben. Und nicht an Musiker wie uns, die schon ein paar Mäuse auf der Seite haben und es sich eher erlauben können, ein Jahr lang nicht zu spielen.

Ihr könnt ja trotzdem noch mit euren Songs Geld verdienen, oder?

Das war früher so. Damals hatten wir noch zwei finanzielle Standbeine: Das eine waren Live-Auftritte – das andere Platten machen und verkaufen. Das hat sich aber komplett geändert. Wenn wir jetzt eine Platte machen, dann eigentlich nur, um zu sagen: Wir sind noch da, guck mal, wir haben einen neuen Song. Und die Leute werden aufmerksam und denken: Wow, die Fantas sind wieder am Start, da geh ich doch mal auf ein Konzert. Weil die Songs gibt’s ja eh im Streaming-Portal, quasi für umme. Früher hat der Konsument noch eine Platte gekauft, hat sie bei sich zu Hause hingestellt, und damit ist der Deal gemacht. Jetzt muss ich immer wieder über Jahre ständig sagen: Heeey, ich bin der tolle Thomas D von den super Fantas und wenn ihr jetzt meine Musik hört, dann yey – dann hab ich schon wieder 0,0004 Cent verdient.

Kostenlose Musik im Netz – das war auch in Zeiten von Wohnzimmerkonzerten ein großes Thema.

Davon bin ich überhaupt kein Fan. Ich meine, der Mensch lernt doch gerade erst, was es heißt, keine Kultur zu haben. Streaming-Plattformen haben schon lange zu einer Entwertung der Musik geführt. Ich wringe mein Herz aus, damit unsere Texte entstehen. Die bedeuten uns viel, und unseren Fans auch. Und dann merkt man gleichzeitig, dass sie auf dem Markt keinen Wert haben. Aber vielleicht ist ja genau jetzt die Zeit, in der man den wahren Wert von Musik erkennt. Da brauchen wir sie den Leuten doch nicht kostenlos übers Internet hinterherschieben.

Manche Musiker haben Alternativ-Konzerte gegeben – etwa in Autokinos.

Als erste Konzepte erfunden wurden, bei denen Menschen in Autos sitzen, weit voneinander entfernt stehen und nicht mitsingen dürfen, war uns klar: Das ist nicht unsere Art aufzutreten. Wir bauen in unseren Konzerten eine Energie auf, an der wir festhalten möchten. Aber klar, wenn das die neue Realität ist, dann müssen wir uns noch darauf einstellen.

Was haben Sie während des Lockdowns gemacht – außer die Tour umplanen?

Leider habe ich die Jungs seit Corona noch gar nicht getroffen. Wir haben alle Kinder, die zur Schule gehen. Am Homeschooling hatte ich richtig zu knabbern. Was für ein Wahnsinn, mit den Kindern Hausaufgaben zu machen. Mein Sohn ist zwölf und geht aufs Gymnasium: Wenn der mit Mathe kommt… (lacht) Aber ich konnte mich auch mit schönen Sachen beschäftigen. Zum 50. Geburtstag habe ich einen Bagger gekauft. Ich liebe es, Löcher zu graben – auch wenn ich selbst noch nicht so richtig weiß, was dabei rauskommen soll. Und ich lerne gerade Ukulele, ich habe sogar schon drei Griffe drauf. Letztens habe ich was von Justin Bieber gespielt, das klang sicher ganz schrecklich. Aber hey: Ich hab mich gefühlt wie er!

Ihr habt seit Corona noch gar keine Musik gemacht? Das ist sicher doppelt schade zum 30. Jubiläum.

Wir haben ja eine Arbeitsmethode, bei der wir nicht alle an einem Platz sein müssen. Der Michi hat mal angefangen, neue Songs zu schreiben und die rumzuschicken. Und manchmal schicke ich dann den Jungs ein paar Aufnahmen dazu. Aber diesen September haben wir endlich wieder unser erstes Treffen. Leider aus einem sehr nüchternen Grund. Da müssen wir besprechen, wie es weitergeht. Was machen wir im nächsten Jahr? Und was machen wir, wenn die Pandemie nicht aufhört? Das sind zwar Szenarien, von denen wir überhaupt nicht wissen, was passieren könnte. Aber wir können auch nicht warten und dann sagen: Ja hoppla, machen wir halt noch ein Jahr Pause.

Seit ihr denn sehr niedergeschlagen, weil ihr den 30. nur nachfeiern könnt?

Ach, ganz egal! Und wenn es uns dann schon 35 Jahre gibt: Es wird gefeiert. Und das wird trotzdem unser 30. Geburtstag sein, auf den wir uns so lange gefreut haben. Es sei denn, wir feiern dann schon den 40.

Das heißt, noch mindestens zehn Jahre Fanta 4 …

Sicher! Nachdem die Band selbst 20 Jahre lang dachte, morgen ist es vorbei, haben wir gesagt: Fanta 4 for ever, Baby. Solange wir noch gehen, etwas hören und sprechen können, werden wir Konzerte geben.

Interview: Kathrin Braun

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