„Dies ist ein Pakt der Entrechtung“

von Redaktion

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Die EU-Kommission will mit ihrem Pakt für Asyl und Migration bisher langwierige Verfahren, etwa zur Prüfung von Asyl- und Schutzansprüchen, beschleunigen. Sie sollen teils schon an Außengrenzen stattfinden, vor einer Verteilung auf andere EU-Staaten. Damit drohe eine massive Beschneidung von grundlegenden Rechten, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl.

Herr Burkhardt, die EU-Kommission hat ihren Pakt für Migration und Asyl vorgelegt und verspricht Prüfverfahren, die schneller, aber dennoch fair sein sollen. Halten Sie das für realistisch?

Nein, der Zugang zu einem fairen Asylverfahren, in dem die Fluchtgründe geprüft werden, wird versperrt durch vorgelagerte Grenzverfahren. Dies ist ein Pakt der Entrechtung, das Recht auf Asyl wird einer scheinbaren Einheit der EU-Staaten geopfert.

Warum sollten faire Prüfungen an Außengrenzen nicht möglich sein?

Weil dazu auch gehört, dass Behördenhandeln durch Gerichte überprüft wird. Es ist unmöglich, in Moria 12 000 Menschen Zugang zu anwaltlicher Betreuung und zu Gerichten zu gewähren. Der Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren wird durch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen massiv beschnitten. In Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern sind die nötigen Strukturen vorhanden. Rechtsstaatliche Asylverfahren kann es praktisch gesehen nur nach einer Verteilung auf die Mitgliedstaaten geben.

Minderjährige und Familien mit Bleibeperspektive sollen nach dem Willen der Kommission schnell in andere Länder gelangen, in denen faire Verfahren sicher möglich wären. Enthält der Pakt auch gute Ansätze zu Verbesserungen?

Man müsste und könnte sofort handeln, das geht auch ohne Gesetzesänderungen. Tausende leben obdachlos in Dreck und Elend auf den griechischen Inseln. Diese Ankündigung scheint nur ein humanitäres Mäntelchen zu sein, das ablenkt von der Festsetzung der Schutzsuchenden in Grenzverfahren.

In dem Vorschlag nicht mehr vorgesehen ist eine zwingende Verteilung auf alle Mitgliedstaaten. Ein richtiger Schritt?

Es gibt gute Gründe, warum Menschen nicht in bestimmte Länder wollen. Sie hätten dort aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten keine Chance, Fuß zu fassen. Länder, die nicht aufnehmen wollen, jetzt aber in Form von Abschiebe-Patenschaften einzubinden, ist unsäglich.

Interview: Stefan Reich

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