Berlin/Brüssel – „Rendezvous auf den Champs-Élysées, verlass Paris mit dem TEE, Trans-Europa-Express, Trans-Europa-Express“, sang die Band Kraftwerk Ende der Siebziger. Der besungene Express-Zug walzte lange Zeit erfolgreich durch Europa und war nicht nur bei der Band beliebt – von 1957 bis 1987 bretterte der Trans-Europ-Express (ohne a) über den Kontinent. Viel mehr als ein falsch geschriebener Musiktitel ist aber nicht geblieben.
Doch jetzt wabert eine Idee durch Europa: Der Trans-Europ-Express soll wieder Fahrt aufnehmen. Von Berlin nach Barcelona. Von München nach Stockholm. In 13 Stunden durch Europa. Ohne Umsteigen. Das ist bisher kaum möglich. Ende September stellte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer entsprechende Pläne vor und diskutierte die gleich anschließend mit seinen europäischen Kollegen. „Unser Konzept setzt auf attraktive, schnelle und durchgehende Fernverkehre über Grenzen hinweg“, erklärte der CSU-Politiker, der wegen der gescheiterten Maut unter Druck steht.
Schon einmal träumte man in Europa von einem länderübergreifenden Zugangebot. In den Fünfzigern, als das Wirtschaftswunder eine goldene Zukunft für Europa versprach und der Kontinent nach zwei Kriegen zusammenwuchs. Damals drohten Auto und Flugzeug die Bahn zu überholen. Vor allem gut betuchte Geschäftsleute stiegen um, der Zug hatte ein Imageproblem. Da hatte der Direktor der niederländischen Eisenbahn, Frans den Hollander, eine Idee: ein europäisches Eisenbahnnetz mit schnellen Lokomotiven und komfortablen Waggons.
Die Idee fand Anklang, sieben Eisenbahngesellschaften schlossen sich dem Vorschlag den Hollanders an, darunter auch die Deutsche Bahn. Der Trans-Europ-Express war geboren. Die Waggons wurden bordeauxrot und beige angestrichen und hübsch eingerichtet, auf manchen Strecken inklusive Zugsekretariat, Bar und Aussichtswaggon. Und die Züge, mit den klangvollen Namen Rheingold, Enzian oder Blauer Edelweiß, nahmen Fahrt auf.
Die Reise im Luxuszug zog Geschäftsleute und Touristen gleichermaßen an, selbst Bundeskanzler Helmut Schmidt fuhr mit dem Trans-Europ-Express, auf Dienstreise, im eigens dafür eingerichteten Kanzlerwagen. Die ,Air Force One‘ auf Deutsch sozusagen. Mit bis zu 200 Sachen dampften fortan Enzian und Edelweiß über die Schienen des Kontinents – von Frankreich nach Italien, von Dänemark nach Deutschland. Auch durch München brausten die Bahnen – Richtung Zürich, Mailand und Amsterdam. Für die komfortablen Fahrten konnten Reisende ausschließlich Erste-Klasse-Tickets lösen. Das war teuer. Zu teuer. Die Zahl der Fahrgäste sank, 1987 wurde der Trans-Europ-Express schließlich eingestellt.
Geht es nach Andreas Scheuer, soll der Express bald wieder durch Europa rollen. „Das Ziel: Mit der Bahn besser durch Europa“, so der Minister. Dabei tritt der Trans-Europ-Express wieder gegen Auto und Flugzeug an, doch dieses Mal fährt der Zug mit Rückenwind: Auto und Flieger haben jetzt das Imageproblem, Stichwort CO2-Ausstoß. Im Jahr 2020 bekommt der Trans-Europ-Express also einen grünen Anstrich. „Wir wollen klimafreundliches Reisen ermöglichen“, so Scheuer. Auch das Nachtzugnetz und der Güterverkehr sollen ausgebaut werden.
In zwei Schritten soll der Trans-Europ-Express wiederauferstehen. Kurzfristig will man vier Strecken realisieren: Paris–Warschau, Amsterdam–Rom, Berlin–Barcelona und Amsterdam–Barcelona. Bereits 2025 könnten die ersten Züge des Trans-Europ-Express 2.0 durch Europa heizen. Die Schienen dafür sind schon lange verlegt, doch noch müssen Bahnreisende häufig umsteigen. So wird die Zugfahrt durch Europa zur Odyssee. Um das zu ändern, muss aber noch an einigen Stellschrauben gedreht werden: So fahren die Züge in den Ländern Europas mit verschiedenen Stromstärken und auch die Sicherungssysteme unterscheiden sich. Ein europäischer Express muss diese nationalen Sperenzchen aber meistern können.
Langfristig, so der Plan, sollen vier weitere Strecken befahren werden. Bis nach Schweden und Ungarn sollen die Züge dann sausen. Dafür müssten aber noch das Schienennetz ausgebaut und Langzeitprojekte fertiggestellt werden. Stuttgart 21 zum Beispiel, oder der Brennerbasistunnel. Das kann dauern. Im zweiten Schritt soll dann auch München ans neue Netz angeschlossen werden. Von Bayern, ohne Umsteigen, bis nach Rom, Paris, Stockholm und Budapest.
Finanziert werden soll das Projekt auch mit europäischen Mitteln. Scheuer setzt sich für ein EU-Förderprogramm ein. Auch die Grünen fordern Investitionen. „Die Länder Europas haben mit ihren oftmals sehr dichten Eisenbahnnetzen wahre Schätze, die für die Klimapolitik endlich besser verknüpft werden müssen“, erklärte der bahnpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel, in Reaktion auf Scheuers Vorstoß. Auch mahnten die Grünen, dass der Ankündigung Scheuers Taten folgen müssten.
Der will die Idee noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorantreiben, bis Ende des Jahres soll eine Absichtserklärung zur Rückkehr des Trans-Europ-Express unterzeichnet werden. Schon einmal feierte der Zug ein Comeback. Im Sommer 1990, nach dem Mauerfall, auf der ersten deutsch-deutschen Städteverbindung von Berlin nach Hamburg. Die ostdeutsche Reichsbahn, die noch bis 1994 fuhr, reaktivierte für kurze Zeit den ausrangierten Luxuszug. Noch einmal ratterte der Trans-Europ-Express über deutsche Schienen. Vielleicht nicht seine letzte Fahrt.