Warten auf den Feldpostboten

von Redaktion

120 000 Pakete werden jedes Jahr an Soldaten der Bundeswehr geschickt – im Ausland stellt die Deutsche Post Reservisten als Zusteller ab

München – Oberstleutnant Steffen Pietzsch, 58, ist Feldpostbeauftragter der Bundeswehr. Im Interview erklärt er, wie das mit der Feldpost heute funktioniert und warum der klassische Brief trotz Internet noch längst nicht ausgedient hat.

Herr Oberstleutnant: Wie viele Soldaten sind derzeit im Auslandseinsatz?

Etwa 4000 in 13 Einsatzgebieten auf drei Kontinenten.

Die Trennung von Familie und Freunden ist sicher nicht einfach. Wie können Soldaten Kontakt halten?

Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Bundeswehr erstellt für die Einsatzgebiete Betreuungskonzepte, in welchen lagebezogen unter Beachtung der Sicherheitslage zum Beispiel Internet eingerichtet wird. Das Internet können Soldaten kostenlos nutzen – in den Zonen, wo es erlaubt ist. Telefon, Skype oder Whatsapp sind die gängigsten Wege der Kommunikation. Man kann, wenn man will, auch zivile Angebote nutzen, sich zum Beispiel Prepaid-Karten kaufen. Die meisten nutzen aber unsere Angebote – auch, weil sie sicher sind. Dazu gehört auch die Feldpostversorgung.

Welche Rolle spielt die klassische Feldpost noch?

Das immer noch hohe Sendungsaufkommen zeigt, wie groß das Interesse ist. Wenn Post aus der Heimat kommt – von der Familie, von Freunden, von Angehörigen der eigenen Dienststelle, dann ist das ein besonderer Moment. Ist die Feldpost da, spricht sich das wie ein Lauffeuer rum. Auch abends um 22 oder 23 Uhr wird noch soeben eingetroffene Post ausgegeben. Gerade wenn Jubiläen anstehen, Geburtstage oder Weihnachten – oder die Kumpels spontan aus der Kneipe eine Karte schreiben, greift das die Soldaten und Soldatinnen immer noch emotional an. Ein Brief, mit der Hand geschrieben, wirkt ganz anders als eine SMS.

Wie muss man sich die Post bei der Bundeswehr vorstellen?

Nicht in allen Einsätzen haben wir Feldpost. Voraussetzung dazu ist, dass keine sichere, zumutbare zivile Postversorgung besteht. Dann betreiben wir im Einsatz Feldpostämter sowie kleinere Feldpoststellen.

In Afghanistan …

… haben wir Feldpostämter. Ein Feldpostamt wird immer durch Angestellte der Deutschen Post, welche Reservedienstleistende sind, betrieben. Dazu haben wir mit der Deutschen Post eine Feldpostvereinbarung.

Das sind also eigentlich normale Postboten?

Nicht nur, und sie sind sehr engagiert. Die Post kann über 400 Reservedienstleistende stellen, die im Wechsel im Einsatz sind und richtig ausgebildet werden wie alle anderen Soldaten, damit sie im Ernstfall auch für soldatische Aufgaben gerüstet sind. Sie sind in der Zeit als Feldpostsoldaten Mitglieder der Bundeswehr – dafür freigestellt von der Deutschen Post.

Wie lange dauert so ein Einsatz in der Regel?

Grundsätzlich vier Monate.

Und Feldpoststellen?

Die werden von aktiven Soldaten im Nebenamt betrieben. Zum Beispiel im Sudan, wo derzeit wenige deutsche Soldaten im Einsatz sind.

Wie kommt denn die Post nach Afghanistan?

Die gesamte Post wird in der Feldpostleitstelle im hessischen Pfungstadt angeliefert. Dort wird sie in großen Behältern versandfertig gemacht für die verschiedenen Einsatzgebiete – auch hier durch Feldpostsoldaten, die von der Deutschen Post gestellt werden. Die Feldpost wird dann über Land oder Luft verschickt – meist mit zivilen Vertragspartnern.

Und jeder kann den Soldaten schicken, was er will?

Im Grunde alles, was auch Nicht-Soldaten in ein anderes Land schicken dürfen. Speziell ausgebildete Feldjägerkräfte kontrollieren sämtliche Pakete und Päckchen auf Sprengstoff und Brandsätze, bevor sie auf die Reise gehen. Die Post macht das übrigens mit ihren internationalen Paketen auch. Natürlich gibt es auch Einschränkungen – zum Beispiel Gefahrgüter und Alkohol.

Wie viel Feldpost wird denn noch verschickt?

Das Feldpostaufkommen ist vergleichbar mit einer mittleren deutschen Kleinstadt. 2019 gingen rund 80 000 Briefe, 120 000 Pakete und 10 000 Päckchen raus – so an die 830 Tonnen. An Weihnachten setzen wir zusätzliche Feldpostsoldaten ein. Im November und Dezember müssen etwa 15 000 Briefe und 30 000 Pakete in die Einsatzgebiete – und 20 000 Briefe und Postkarten aus den Einsätzen nach Deutschland.

Was bekommen die Soldaten denn so alles?

Das ist schwierig zu sagen. Wir dürfen ja nicht in die Pakete reinschauen. Aber natürlich sieht man Ostern und Weihnachten plötzlich bunte Eier oder Glaskugeln am Computer oder an Sträuchern hängen. Eigene Weihnachtsbäume haben die Soldaten ja nicht. Man sieht auch viele Fotos von Angehörigen oder von Kumpels, die zum Beispiel einen Fußballsieg feiern. Da lassen sich die Leute wirklich viel einfallen. Zu Geburtstagen kommen Pakete mit einer kompletten Ausstattung für eine kleine Feier – vom Luftballon bis zur Girlande. Auch von einer Pinata, gefüllt mit Bonbons, wurde mir schon erzählt. Fotos, Kuscheltiere, bedruckte Decken – all das, was einen persönlichen Wert hat für Soldaten, wird verschickt.

Auch in ein Soldatencamp zieht also ab und zu mal der Kitsch ein …

… und der Humor (lacht). Ich habe von Kameraden gehört, die haben von Freunden leere Fastfood-Schachteln bekommen, nach dem Motto: Das hast du jetzt gerade nicht.

Interview: Wolfgang Hauskrecht

Artikel 2 von 4